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Darf ich mich vorstellen?

Mensch, Frau und ledig

Das Mädchen steht am Beckenrand. Toll sieht sie aus in ihrem neuen Badeoutfit. Mit Anlauf und unter viel Lachen springt sie hinein ins Wasser, mitten unter die Freunde. Wettschwimmen, Ball spielen, tauchen – alles macht so viel Spaß! Frei, gar nicht auf sich selbst achtend, fröhlich, ganz in ihrem Element ist sie. Das Mädchen sieht ein anderes Kind am Beckenrand sitzen. Es ist ganz allein. Einsam und traurig sieht es aus. Fremd, irgendwie komisch. Gehört nicht dazu. Sie schwimmt zu diesem Kind. Sie setzt sich zu ihm. Einfach da sein, still und leise, denkt sie sich. Will trösten … denn das, das kennt das Mädchen doch auch: abgrundtief einsam, fremd und verloren in dieser Welt. „Wie bist du glücklich geworden?“ fragt das Kind.

Das Mädchen beginnt zu erzählen: Eigentlich war ich eine echte „Wasserratte“, liebte es, im Meer zu schwimmen, zu tauchen, zu toben. Und dann konnte ich das nicht mehr so frei, weil ich mich mit meinem Körper nicht wohlfühlte und ich den nicht zeigen wollte vor allen anderen, unvollständig wie er war, ohne Penis, wie ihn alle Jungs hatten. Ich bin schließlich ein Junge, dachte ich. Ändern konnte ich ja eh nichts. Für die anderen war alles so normal. Also Augen zu und durch, nichts an mich herankommen lassen, mitmachen, irgendwie funktionieren und nur nicht auffallen. Leben war so schlimm, dass ich gar nicht mehr wollte. Ich wollte mich umbringen. Damit habe ich lange gerungen.

Dann hatte ich Träume. Ich glaube, die hat Gott mir geschickt. In einem Traum war ich ein erwachsener Mann und Jesus stand direkt vor mir. Er hat mir tief in die Augen gesehen, ich habe in seine Augen gesehen. Und in seinen Augen habe ich gesehen: Er kennt mich ganz und gar. Da bin ich vor ihm auf die Knie gefallen und habe ihm meine Waffe gegeben. Es war wohl seine bedingungslose Liebe und Wärme, die mich angesehen und tief berührt hat. Er hat mir einen neuen Namen gegeben und mich gefragt, ob ich bereit bin, eine besondere Aufgabe zu übernehmen. Ich habe Ja gesagt.

In einem anderen Traum sah ich, wie auf der Hand von Jesus ein etwa 13-jähriges Mädchen stand. Dann wurde dieses Mädchen immer kleiner, es verschwand irgendwie in die Hand hinein. Ich musste im Traum entscheiden, ob es hier im Leben bleiben oder in die Hand von Jesus vergehen sollte. Eine schwere Entscheidung. Doch schließlich: Ja, sie soll hier bleiben.

Beides ist gültig. Ich habe entschieden, im Leben zu bleiben und dass das Mädchen leben soll. Ganz langsam, über einen langen Zeitraum, habe ich gelernt, mit diesen Entscheidungen zu leben. Es gab noch viele andere Träume und Menschen, die mich auf dem Weg begleitet haben. Und wie nebenbei, als Geschenk obendrauf, bin ich glücklich geworden. Vielleicht, weil ich mich so frei fühle. Dieses Badeoutfit habe ich übrigens auch geträumt. Es ist einfach klasse. Es passt genau, bedeckt, was bedeckt sein soll, und gibt mir alle Freiheit, mich in meinem Element zu bewegen – frei wie ein Fisch im Wasser.

Sagt das Mädchen zum Kind: „Du findest deinen Weg. Du bleibst nicht traurig, nicht einsam. Du findest dein Element und deinen Anzug, der dir passt. Du wirst auch frei sein.“ Sagt das Kind zum Mädchen: „Ich will gerne mit dir schwimmen.“

Das Leben nicht verraten

Jesus fragt mich heute, an dieser Stelle meines Weges: Was glaubst du, warum du in der Welt bist?

Meine ehrliche Antwort: Ich weiß es nicht. Nicht so wie ich weiß, dass eins plus eins zwei sind. Aber es gibt Hinweise auf den Spuren seines Wirkens in meinem Leben. Es ist ein Herantasten. Im letzten weiß ich nur eins: Ich lebe, weil er es so will.

Vielleicht lebe ich heute, um diesen Text zu schreiben. Um Menschen von Träumen zu erzählen, die mein Leben veränderten. Wie sie nicht nur innere Wirklichkeit waren, sondern äußerlich sichtbar wurden. Gott befreit Menschen ins Leben. Ich habe das erlebt. Und viele andere auch: Jakob, der Stammvater Israels, und Josef, sein Sohn. Josef, der Mann von Maria, und die vielen anderen in der Bibel, die Träume, Bilder oder Visionen hatten, die das Leben für einzelne oder viele veränderten.

Ob ich wohl Trost weiterzugeben habe aufgrund der durchrungenen Kämpfe um die zwei großen Lebensthemen, und weil ich mit Gott und mir Frieden geschlossen habe?

Lange, tief und ernsthaft habe ich den Kampf zwischen Leben und Tod geführt. Nun ist die Todessehnsucht einer Erkenntnis gewichen: Ich muss zwischen der Sehnsucht nach dem Tod und der Sehnsucht, ganz bei Gott sein zu wollen, unterscheiden. Ich muss antworten auf die erste Frage, die Jesus mir gestellt hat: Was willst du denn wirklich? Ich will dich nicht verlassen, weil du mich nicht verlässt. Dass du mich nicht verlässt, ist mir im Taufvers zugesagt. Ich will dich, Jesus, nicht verraten und ich will das Leben nicht verraten.

Ich habe intensiv gerungen mit der Frage, wer ich bin und wie ich leben kann, Junge oder Mädchen, Mann oder Frau? Die zweite Frage an mich ist: Dein Leben ist eine Gabe, es ist nicht selbst gewählt. In dieser Gabe enthalten ist eine gute Ordnung zum Leben. Der Schöpfer hat sich etwas dabei gedacht. Glaubst du mir, dass ich mich nicht geirrt habe? Nimmst du diese Gabe an, auch wenn du keine Vorstellung davon hast, wie das Leben in dieser Ordnung für dich gehen kann, oder lehnst du ab?

Ich habe die Wahl. Jesus will meine Entscheidung. Ich kann nur in eine Richtung gehen, die andere Richtung lassen. Beides gleichzeitig geht nicht. Aber wenn sich die zuerst eingeschlagene Richtung als Sackgasse erweist, könnte ich umkehren und in die andere Richtung laufen? Bei einer Entscheidung gibt es den „Sackgassen-Versuch“ nicht, das ist endgültig. Was für ein Ringen, was für ein Kampf! Jesus, du hast geduldig gewartet, mir beigestanden, mich nicht verloren gegeben, bis ich Mut zur Entscheidung hatte.

Ich lebe. Ich versuche zu leben in der mir gegebenen Ordnung, mit unverändertem Körper. Beide Entscheidungen haben sich bisher als lebenshaltig erwiesen. Mehr noch, und für mich völlig überraschend, haben sie mich frei gemacht. „Wer bekennt, muss sich nicht mehr fürchten. Er hat, indem er bekennt, alles, was er fürchten könnte, hinter sich gelassen. Und so ist er der freie Mensch.“ Karl Barth hatte schon Recht.

Eine Frage braucht Antwort

Mein Leben kann Hinweis darauf sein, dass es ein Über-mich-hinaus, ein Über-uns-hinaus gibt, das ruft, Anfragen an uns und unser Leben stellt und unsere Antwort in großer Geduld und Sehnsucht erwartet.

Ich habe auf diesen Ruf geantwortet – aber was heißt es nun, Mensch, ledige Frau, vor Gott zu sein? Dieses Geschehen birgt ein Geheimnis, das ich nicht fassen kann: Gott sprach: Lasst uns Menschen (Adam) machen in unserem Bild, nach unserer Gestalt … Da schuf Gott den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn; Mann und Weib schuf er sie. Und Gott segnete sie. Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut (aus 1. Mose 1, Die Heilige Schrift, ins Deutsche übertragen von Naftali Herz Tur-Sinai).

Dieses innere Licht, das in allen und auch in mir ist, kann durch mich, meine Persönlichkeit, Charakter, Körper hindurch sichtbar sein für andere. Er wollte die Welt nicht ohne meine Stimme, nicht ohne meine Geschichte. Durchscheinend leben – damit die Welt erkennt, wer ihr Schöpfer ist, auch durch mein Dasein!

Im Heute gegenwärtig

Jesus, ich habe noch eine Frage.
Ich habe in der Bibel gelesen, dass du zu einigen Leuten gesagt hast: In dieser Zeit heiraten Männer und Frauen; doch die, die der kommenden Zeit und der Auferstehung von den Toten für würdig erachtet werden, werden nicht verheiratet, weil sie nicht mehr sterben können. Als Kinder der Auferstehung sind sie wie Engel; ja, sie sind Kinder Gottes (Lukas 20,34ff, Das Jüdische Neue Testament, David H. Stern).

Dann könnte mein Leben als Ledige Hinweis auf die kommende Welt sein? Ein Bild für die, die nicht sterben können, für die Kinder der Auferstehung? Ein Bild für die Kern-Identität jedes Menschen: Geschöpf Gottes, ganz auf Gott bezogen und ganz auf Dich geworfen zu sein?

Also wie ein Gruß aus der Ewigkeit in diese Welt hinein: ich, ledig, ein Zeichen der Gnade Gottes, im Heute gegenwärtig? Das ist mal ein Wort!

Neulich, auf dem Weg zum Abendmahlsgottesdienst, als ich an so vieles dachte, was Gott mir Gutes getan hat, formte sich in mir leise ein Gedanke: Ich bin da, Hoffnung in die Welt zu bringen. An meinen Ort, wo ich gerade bin, zu den Menschen, mit denen ich gerade zu tun habe. Damit andere hoffen können. Mein Leben kann Zeugnis sein für die Wunder, die der lebendige Gott im Leben eines einzelnen Menschen tun und welche Auswirkungen das auf das Umfeld haben kann.

Die Hoffnung, die in mir ist und von der ich erzählen kann, ist das Wunder meines So-geworden-Seins, die Kämpfe um die zwei Lebensthemen und wie Gott mir darin begegnet ist. Von den Träumen, die Realität werden wollten.

Das erinnert mich an den Vers, der mir in den Monaten vor meinem Eintritt in die OJC-Kommunität entgegenkam, wie persönlich zu mir gesprochen: Wer immer sein Vertrauen auf mich setzt, aus dessen innerstem Sein werden, wie die Schrift sagt, Flüsse lebendigen Wassers fließen (Joh 7,38). Damals wünschte ich: Ja, genau so ein Mensch möchte ich werden: vertrauen und fließen lassen. Das Ja zum Leben durchhalten.

Ich glaube, dass mein Leben einen Unterschied machen kann. Bestimmte Menschen und ihre Lebenszeugnisse haben für mein Leben auch den Unterschied ausgemacht.

Vielleicht lebe ich heute, um diesen Text zu schreiben. Um Mut zu machen. Um von der Hoffnung Zeugnis zu geben, die mein Leben verändert hat.

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