diesseits – jenseits
- 1. Seele putzen
- 2. Paradox leben
- 3. Leiden umarmen
- 4. Wahnsinnig glauben
- 5. Apokalyptisch sehen
- 6. Zuversicht füttern
- 7. Vergangenheit lebendig halten
- 8. Danken nicht vergessen
Nach wie vor läuft in den Medien Corona. Die einen halten sich so auf dem Laufenden, für andere ist es zum Davonlaufen. Was aber läuft bei uns? Und was gibt Halt? Welche Haltung stärkt die Resilienz, verleiht dem ausgebremsten Dasein Profil in einer nicht enden wollenden Krise? Acht Anregungen sollen als Leitplanken dafür sorgen, dass wir nicht aus der Bahn fliegen. Die quer liegende arabische Ziffer Acht steht in der Mathematik für das Unendliche. In der jüdischen Tradition verbindet der achte Buchstabe des Alphabets (Chet) das Diesseitige mit dem Jenseitigen, die Gegenwart mit der Ewigkeit. Das gilt es in diesen Zeiten im Blick zu behalten.
1. Seele putzen
Die gefühlte Dauerkrise und die ständige Alarmbereitschaft zerfressen die Seele. Die Angst vor der zweiten oder gar dritten Welle legt sich wie Staub auf unser Gemüt und verdunkelt jegliche Perspektive. Das altbekannte Kinderlied: „Christen sollen leuchten in der dunkeln Welt. Jedes an dem Plätzchen, wohin Gott es stellt“ erinnert uns: Wer leuchten will, muss täglich seine Seele putzen. Und nicht vergessen: Lieber Staub aufwirbeln als Staub ansetzen.
2. Paradox leben
Paradoxe Zeiten fordern paradoxe Intervention. Angst und Sorge potenzieren sich in der Regel von selbst, deshalb versuchen wir normalerweise, uns die Angst vom Leibe zu halten. Einen Strich durch die Rechnung machen wir ihr, wenn wir sie bewusst angehen. Die paradoxe Intervention dieser Tage lautet: Die Angst einlassen und zulassen, wovor ich mich am meisten fürchte! Nur das Zugelassene kann angegangen und überwunden werden. Christus hat es vorgelebt: Ich habe euch das alles gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt werdet ihr hart bedrängt. Doch ihr braucht euch nicht zu fürchten: Ich habe die Welt besiegt (Joh 16,33).
3. Leiden umarmen
Wir sind es schlichtweg nicht mehr gewohnt, mit Schmerz, Leid und Tod umzugehen. Dass sie existentiell zum Leben gehören, erfahren wir immer wieder bei unseren Freunden im Nahen Osten, in den Konfliktherden Afrikas oder im politisch instabilen Südamerika. Ist es nicht an der Zeit, unsere Geschwister in anderen Ländern zu befragen und von ihren Erfahrungen zu lernen? Wer dort eine Weile gelebt hat, stellt fest: Freude ist auch angesichts von Schwierigkeiten reichlich vorhanden! Wie kann die Erkenntnis aus dem Lied „In dir ist Freude in allem Leide“ (EG 398) unter uns zu einer tragfähigen Glaubensgrundlage werden?
4. Wahnsinnig glauben
Die ersten Christen sind durch ihren Wahnsinn aufgefallen – so beschrieb der philosophisch geschulte Aristokrat und Statthalter Plinius der Jüngere,diese religiöse Spezies gegenüber seinem Kaiser Trajan. Aus römischer Sicht zeichneten sie sich durch „großen Unsinn, sehr unvernünftiges, unsinniges Denken, Verhalten, Handeln“ (Definition von Wahnsinn im Duden) aus, weil sie unbeirrt an den Gekreuzigten glaubten und ihn bezeugten. Wir sollten, statt in depressive Endzeit- und Verschwörungsszenarien zu verfallen, offensiv, in Wort und Tat, Zeugen für den auferstandenen Christus sein. Könnte Kirche in dieser Hinsicht nicht wieder etwas „wahnsinniger“ werden?
5. Apokalyptisch sehen
Vom Ende der Zeit sprechen viele in dieser Zeitenwende. Das ist aber nicht mit apokalyptisch sehen gemeint. Apokalypse bedeutet wörtlich Entschleierung oder Enthüllung. Hat die Pandemie nicht enthüllt, was an unserem persönlichen Verhalten, an gesellschaftlichen Angeboten, im politisch-wirtschaftlichen Kreislauf und im globalen Kontext fragwürdig, sinnlos oder gar schädlich ist? Wie überflüssig z.B. der Überfluss ist und wie erholsam (auch für unsere Erde) ein Weniger sein kann? Solche Offenbarungen bekommt man nicht jeden Tag „gratis“. Wie gehen wir mit diesem „Geschenk“ um? Umkehr und Buße können eine Antwort darauf sein.
6. Zuversicht füttern
Krisen sind Nährboden für Misstrauen. Misstrauen spaltet. Misstrauen untergräbt Beziehungen. Mit welchen Gedanken fütterst du deine Seele, deine Nächsten und die Sozialen Medien? Sind wir Brutstätten der Resignation und Frustration oder der fruchtbare Boden für eine wachsende Zuversicht? Was wir davon verbreiten, ist nicht von den Umständen abhängig, sondern ganz wesentlich von uns selbst.
7. Vergangenheit lebendig halten
Wir erliegen leicht der Versuchung, „unsere“ Pandemie als besonders bedrohlich zu betrachten. Aber Pandemien gab es schon immer und meist waren sie deutlich verheerender als die gegenwärtige. Es hilft, sich zu vergegenwärtigen: So einzigartig ist unsere Situation auch wieder nicht. Dann können wir auch gelassener mit den Umständen umgehen. Lies historische Bücher oder den Roman „Die Pest“ von Albert Camus und du wirst merken: Alles Schreckliche hat seinen Anfang, seine Dauer und ein Ende. Eine Zukunft gibt es auf jeden Fall, und sei es die Wiederkunft Christi.
8. Danken nicht vergessen
Dankbarkeit ist eine Tugend. Undank ein schlimmes Laster. Dankbarkeit ist nach wie vor der beste seelische Impfstoff gegen das Virus der Angst und Sorge. Als OJC sind wir immer wieder durch schwierige Zeiten gegangen: menschlich, finanziell, geistlich, politisch, medial und noch einmal menschlich. Was hat in turbulenten Zeiten geholfen? Das Sich-gegenseitig-Erinnern: Danken schützt vor Wanken, loben zieht nach oben. Danken kann jeder, dazu muss man nicht in der OJC sein. Zehn Dankpunkte am Morgen und der Tag kann zum Lob Gottes werden. Der Imperativ: Und der Friede Christi, zu dem ihr berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar (Kol 3,15) gilt zu jeder Zeit.