Gott ist der beste Denktmalpfleger

Mit anderen Christen leben und arbeiten – das wollten Judith und ich, als wir uns 2014 mit Lukas, damals anderthalb, aus der Hauptstadt Berlin aufmachten und ins beschauliche Reichelsheim zogen. Zunächst jedoch blieb unsere Arbeits- und Lebenseinteilung ganz klassisch: Judith war vor allem mit den bald zwei Kindern im Haus beschäftigt und ich pendelte täglich zur Arbeit aufs Schloss. Auch sah ich mich bald als Architekt wieder, etwas, was ich meinte, hinter mir gelassen zu haben, um mich der pädagogischen Arbeit zu widmen. Nun aber sollte ich die Planung und Ausführung der Umbauten auf dem Schloss betreuen – als Experte sozusagen, und war dann oft auf mich allein gestellt. Wir fragten uns, ob wir wirklich dafür gekommen sind … Unverhofft setzte sich dann das OJC-Umzugskarussell in Bewegung, und seit 2017 leben wir als komplette Familie – inzwischen zu fünft – auf Schloss Reichenberg, wo alle in besonderer Weise zum Werden und Wachsen des Erfahrungsfeldes beitragen. Keine Zerteilung des Lebens in losgelöste Bereiche und Rollen mehr, hier brauche ich keine Arbeits-Maske, Hobby-Maske, Gemeinde-Maske. Mit den Menschen, mit denen ich arbeite, teile ich auch die Tagesliturgie und den Glauben, feiere Geburtstag und begleite die Freiwilligen. Alle sehen, wie ich meine Kinder erziehe, und ich weiß um ihre persönlichen Belange. Wir können uns nicht einfach aus dem Weg gehen, sobald es unbehaglich wird, sondern müssen reden, Lösungen finden.

Nun ist es UNSER Saal

Nicht nur die Gefährten, auch die Bausubstanz der Burganlage prägt mein Leben. Es ist nicht immer leicht, Architektenberuf und OJC-Auftrag zusammenzudenken. Zeitökonomie und Gewinnmaximierung, wie ich es kannte, sind dabei nachrangige Kriterien. Auch die Abläufe sind anders, schon weil nicht nur das Denkmalamt mitredet und Sponsoren die Rahmenbedingungen stellen, sondern weil auch die Beteiligung der Menschen, die diesen Raum nach der Fertigstellung nutzen, wesentlich und zielführend für die Gestaltung ist. Pläne wurden umgeworfen, Budgets gekürzt oder aufgestockt – ich hatte deswegen manche schlaflose Nacht. Ein einziger Saal, und es hat fast ein Jahr gedauert, bis die internen und externen Absprachen abgeschlossen waren. Alles: Lichtgestaltung, Bodenbelag, Technik, Ästhetik soll den Angeboten des Erfahrungsfeldes dienen und möglichst viel OJC-Spirit transportieren. Mit Ralf Nölling, der damals die Schlossleitung innehatte, und Michael Völzke, unserem Schreiner, lernten wir, den professionellen Anspruch und die geistlichen, monetären und gemeinschaftlichen Bedingungen miteinander so zu verbinden, dass etwas Eigenes entstehen konnte. Und nun ist es unser Saal: alt und neu, Denkmal und funktional zugleich. Einer meiner Professoren lehrte, dass die beste Denkmalpflege in der optimalen Nutzbarkeit liegt. Das erlebe ich nun hautnah: Wir stehen auf den Schultern derer, die diese Burg in 700 Jahren errichtet, umgebaut, erhalten und saniert haben. Allein die OJC hat schon 40 Jahre investiert. Nun sind wir dran und dürfen neu gestalten, die historischen Räume mit unserem Hier und Jetzt füllen, Weichen für die Zukunft stellen. Auch ich gebe der Burg mein Gepräge, eines, das meiner Generation entspricht, so wie wir dem OJC-Auftrag mit dem Erfahrungsfeld ein Gepräge geben, das unserer Zeit entspricht und ihren Herausforderungen begegnet. Letztlich kommt es darauf an, wie und was wir im normalen Alltag leben – unserem „Erfahrungsfeld“ – und was Gott aus unserer brüchigen Substanz herausholt. Er ist der beste Denkmalpfleger! Er kennt die Auf- und Abbrüche unserer Biografien und nimmt, was er vorfindet, um darin Raum zu schaffen für seine Freude und für seine Pläne.

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