Der (un)erwartete Gast

Leben im Advent

Vorgestern war es doch gefühlt Februar, der gestrige Blick in den Terminkalender offenbarte eine halbe Ewigkeit bis zum Tage X. Ich habe gelernt, die mit Weihnachtsgebäck und Schokolade gefüllten Regale im Supermarkt geflissentlich zu übersehen, und so kommt mir die bevorstehende Weihnachtszeit vor wie ein erwartet-unerwarteter Gast, der, obwohl lange angekündigt, mich doch unvorbereitet antrifft.

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Editorial

Es geht christlich gesehen immer um Armut als Mittel zur Freiheit.
Die Freiheit eines Christenmenschen ist an eine relative Bedürfnislosigkeit geknüpft.
Das heißt: frei sein vom Zwang zur Einheitsmeinung,
frei sein auch vom Zwang des Applauses,
eine solche Armut brauchen wir.

– Alexander Kissler im Deutschlandradio

Liebe Freunde

geht es Ihnen auch so, dass der Advent mal wieder unerwartet vor der Tür steht? Vorgestern war es doch gefühlt Februar, der gestrige Blick in den Terminkalender offenbarte eine halbe Ewigkeit bis zum Tage X. Ich habe gelernt, die mit Weihnachtsgebäck und Schokolade gefüllten Regale im Supermarkt geflissentlich zu übersehen, und so kommt mir die bevorstehende Weihnachtszeit vor wie ein erwartet-unerwarteter Gast, der, obwohl lange angekündigt, mich doch unvorbereitet antrifft.

Ob es Maria auch so ging? Die fleißige Magd Gottes, die emsige Braut – Beate Heinen malt sie kniend mit Schürze, Eimer und Putzlappen – war gewiss nicht auf den Engel gefasst, der in ihre Stube trat und ihr die wunderliche Nachricht von der Ankunft des Königs übermittelte. (S. 164) Noch unerwarteter war die Ankunft des Verheißenen selbst. Der sich im Fleisch offenbarende Gott fängt in dreifacher Weise ganz unten an, als hilfloses Neugeborenes in tiefster Armut und absoluter Machtlosigkeit. Christus macht es uns vor: Werde arm, werde klein, werde ohnmächtig und verlass dich in deiner Verletzlichkeit ganz auf den Vater im Himmel! Schäme dich nicht deiner Unvollkommenheit, wie auch ich mich nicht schäme, dir gleich zu werden! Das Wort ward Fleisch – will heißen, Gott wird mit uns solidarisch. Er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen – will heißen, Gott stellt die Machtverhältnisse dieser Welt vom Kopf auf die Füße. Manfred Hausmanns (S. 182) und Dietrich Bonhoeffers (S. 160) eindringliche Appelle ermahnen uns innezuhalten, umzukehren und uns auf den zu besinnen, durch den für uns erst wahrhaft Weihnachten werden kann.

Vor Hair – nach Hair

Um eine Umkehr, eine ziemlich haarige, geht es in dem Interview mit Peter Helms. Er war 1972 mit vier Schauspielerkollegen aus dem Erfolgsmusical „Hair“ ausgestiegen. Vor Hair suchten sie nach Lebenssinn in Rock und Rausch. Sie verließen die Szene jedoch, nachdem eine unerwartete Begegnung in Basel eine ganz andere Sehnsucht in ihnen weckte. Ina Orme, eine Aussteigerin, kam zur OJC und blieb für ein Jahr. Nach Hair sind sie zu leidenschaftlichen Christusnachfolgern geworden. Nach 41 Jahren kamen sie aus allen Himmelsrichtungen in Reichelsheim wieder zusammen, um den Schatz ihrer Erfahrungen miteinander und mit uns zu teilen. (S. 154)

Segensstrom über Generationen

Frohgestimmt feierten wir im Oktober den Eintritt von Antje Vollbrecht in den Bund der Gefährten. Sie ist bereits die elfte Assoziierte, so nennen wir unsere Anwärter, die seit der Gründung im April 2008 in die OJC-Kommunität aufgenommen wurde. Mit ihr hat nach fünf Jahren und vier Ehepaaren wieder eine Ledige ihre Zugehörigkeit zur Familienkommunität bestätigt. Wir teilen nun die Freude über das „Schwesterherz“ mit Ihnen und gewähren einen kleinen Einblick in unsere interne Feier. (S. 152)
Dass es die OJC überhaupt gibt, verdankt sich außer der Phantasie Gottes auch dem Gehorsam und der Leidenschaft unserer Gründer Irmela und Horst-Klaus Hofmann. Am 20. November wurde er 85 und feierte am 22. mit uns das Geschenk des Lebens. (S. 151)

Versöhnung zwischen Völkern

Das von ihm formulierte Ziel der „Versöhnung zwischen den Geschlechtern, den Generationen und den Nationen“ ist Kernauftrag der OJC. Dieser Auftrag durfte kürzlich in zwei bewegenden Begegnungen wieder Gestalt gewinnen.
Der Dialog zwischen Deutschen und Juden ist bald 70 Jahre nach der Shoah immer noch kein leichter. Umso dankbarer sind wir für das Vertrauen jener israelischen Elternpaare, die durch Terroranschläge ein Kind verloren haben und bereit waren, ihre Trauer mit uns zu teilen – mit Deutschen, deren Eltern- und Großelterngeneration ihren Eltern und Großeltern so unermessliches Leid zugefügt hat. (S. 180) Im gemeinsamen Hören, Weinen, Beten und Tanzen ereignete sich das Wunder, dass vormals Fremde einander zu Gegenübern, ja zu Freunden werden konnten.
Ein absolutes Novum war unser 17. interkulturelles Baucamp mit jungen Roma aus Varna, Bulgarien. Mit unserer Jahresmannschaft arbeiteten sie auf dem Schlossgelände an der Ostmauer, in der Waldkapelle und am Krummen Bau. (S. 176) Trotz wahrhaft babylonischer Zustände in Sachen Sprache konnten wir, Dank irdischer Dolmetscherkunst und himmlischem Feintuning, unerwartet viel voneinander lernen und Freundschaften über Sprachbarrieren hin schließen.

Friedensschluss der Geschlechter

Dem berühmten Verdolmetscher Martin Luther werden derweil die Worte recht unorthodox im Maul verdreht. So etwa, wenn sein Eheverständnis auf den kernigen Ausspruch, die Ehe sei „ein weltlich Ding“ reduziert wird. Dabei hat der Reformator wie kaum einer vor ihm betont, welch kostbares Gut das versöhnte Miteinander der Geschlechter im „edelsten Stande“ der Ehe ist und dass das Einswerden von Mann und Frau einen vom Zuspruch Gottes geadelten, unveräußerlichen Bund darstellt. Die Orientierungshilfe der EKD hingegen erweckt den Eindruck, die Gemeinde Jesu müsse das Unversöhnte, das Scheitern an der Hoffnung auf Einswerden als unvermeidlich hinnehmen und es zum Maßstab einer vorurteilsfreien Familienpastoral machen. Der passionierte Theologe Stefan Kunz, Freund und Wegbegleiter der OJC, erklärt, warum er sich als ordinierter Pfarrer der EKHN mit dieser resignativen Haltung zu Ehe und Familie schwer tut. (S. 158.)

Er-lebbare Botschaft

Das Erfahrungsfeld Schloss Reichenberg darf dankbar auf eine ereignisreiche vierte Saison zurückblicken. Über 80 Gruppen aus der weiteren Region – Kinder, Jugendliche und Erwachsene – haben die vielfältigen Angebote und Programme im Burggelände begeistert wahrgenommen. Während der Winterpause feilt das Team nun am Konzept und entwickelt weitere Ideen. Neue Entwicklungen und Elemente für 2014 sind schon fast aus der Werkstatt: Der Klangbrunnen im Burghof steht, neue Pflanzungen in der Waldkirche wachsen an. Allen, die durch beherztes Anpacken, im Gebet und mit Spenden dazu beigetragen haben, dass dieser Ort zum kreativen Zeugnis des Glaubens werden konnte, sei an dieser Stelle herzlich gedankt!

Ein Riesendank geht auch an all die treuen Geber, die unsere Weihnachtsaktion 2012 zu einem Erfolg gemacht haben: Von den anvisierten 220.000 € sind 207.000 eingegangen. Voller Zuversicht starten wir die Weihnachtsaktion 2013. (S. 185) Wieder finden sich darin wunderbare Projekte unserer Partner, durch deren selbstloses Engagement junge Menschen weltweit in Jesus Christus Heimat, Freundschaft und Hoffnung für ihr Leben gewinnen. Unser Pfund ist der direkte Kontakt zu ihnen sowie eine schlanke Verwaltung. So entfaltet jeder Cent optimale Wirkung: Ihre Investition in die Zukunft kommt gut an!

Von Prüfung zu Prüfung

Ein Jahr ist es her, dass die Grünen ihre sogenannte Kleine Anfrage im Hessischen Landtag bezüglich unserer FSJ-Trägerschaft starteten: Ob es rechtens sei, dass das Land Hessen die Freiwilligenarbeit der OJC finanziell unterstützt, und ob der Schutz der Freiwilligen vor unserer „kruden Geisteshaltung“ zur Homosexualität gewährleistet sei. Der Hessische Rundfunk nahm den Vorwurf auf und forderte eine Überprüfung, die das Bundesfamilienministerium in Auftrag gab. Nach der Auswertung umfangreicher Unterlagen zu unserer FSJ-Konzeption, zur Seminararbeit und zur Durchführung der Freiwilligendienste sowie zahlreicher Interviews mit ehemaligen Absolventen erhielten wir Mitte August den Prüfungsbericht. Er förderte zu Tage, dass unsere Trägerschaft nicht in Frage zu stellen sei, wir den Freiwilligendienst entsprechend der Vorschriften durchführen und die Bundesmittel „zweckentsprechend, sparsam und wirtschaftlich“ einsetzen. Wir werden auf Anfrage organisatorische Nachbesserungen vornehmen.
Weil der OJC die Trägerschaft nicht so leicht aberkannt werden kann, wurde die Forderung an uns herangetragen, eine strikte Trennung zwischen den Mitarbeitern des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft und der FSJ-Begleitung vorzunehmen. Dem liegt der von den Grünen erhobene Vorwurf zugrunde, die Position des Instituts zur Homosexualität sei ethisch verwerflich, wissenschaftlich nicht haltbar und leiste einer Diskriminierung von homosexuell empfindenden Menschen Vorschub. Diese pauschalen Anschuldigungen haben wir wiederholt sachlich fundiert zurückgewiesen. Wir setzen uns ein für die persönliche Wahlfreiheit und Selbstbestimmung von Betroffenen. Jeder Mensch hat das Recht, therapeutische Begleitung in Anspruch zu nehmen und das Ziel der Therapie in Freiheit und Mündigkeit selbst zu formulieren.

Der Druck nimmt nicht ab, dafür nehmen die Versuche, unsere Arbeit zu diskreditieren, zu. Dass wir dem mit Gelassenheit entgegensehen können, verdanken wir der Gewissheit: Gottes Verheißungen können ihn nicht gereuen – und seine Verheißung für Mann und Frau, in deren gegenseitiger Ergänzung sein Ebenbild im Menschen aufstrahlt, schon gar nicht! Für das Festhalten an dieser Überzeugung erwarten wir keinen Applaus; wir rechnen aber fest mit Gottes klarer Weisung an den wichtigen Wegscheiden. Der die Herzen prüft, wird uns nicht im Unklaren lassen. Als sein ermutigendes „Bleibt dran!“ erleben wir Eure Verbundenheit mit uns und Eure tatkräftige Unterstützung. Wir danken allen alten, neuen und künftigen OJC-Paten. Wir brauchen Euch! Lasst uns angesichts dieser Inflation der Menschenbilder gemeinsam einstehen für eine vom Geist inspirierte, lebens- und zukunftshaltige Ökologie des Menschen!

In all dem dürfen wir uns an der Jahreslosung 2014 freuen: „Gott nahe zu sein ist mein Glück“ (Psalm 73,28) – darum geht es. Besonders im Advent freuen wir uns, dass Er uns durch seinen Sohn nahe kommt. Halten wir doch im beschäftigen Alltag für Ihn die Herzenstür offen!

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