Nachfolge mit Folgen

Wenn das Christsein alles kostet

Das mit den Christen sah am Anfang gar nicht nach Erfolgsstory aus. Ihr Meister wurde als Irrlehrer und Verbrecher hingerichtet, die Fahndung nach ihnen lief unerbittlich und einer aus der engsten Gefolgschaft wurde abtrünnig und erhängte sich. Das Zeugnis vom Auferstandenen stieß auf Unglauben, und nach Pfingsten ging die Verfolgung erst richtig los. In einem brisanten Gemisch aus Bekennermut, Hoffnung und Irritation formierte sich die Gemeinde der ersten Jahre und Jahrzehnte inmitten einer immer feindseligeren Umgebung. Dass der Glaube an den Mann aus Nazareth sich mit solcher Dynamik ausbreiten würde, hätten sich die Jünger nicht träumen lassen.

Editorial

Die Kirche muss Verfolgung leiden,
wenn sie das Evangelium rein lehrt.
Das Evangelium predigt die Barmherzigkeit und Ehre Gottes
und öffnet den Blick für die Bosheit und die List des Teufels.
Durch keine Sache wird der Teufel mehr gereizt,
als durch die Predigt des Evangeliums.
Darum ist es unmöglich, dass dort, wo das Evangelium blüht,
keine Verfolgung statthabe.

– Martin Luther

Liebe Freunde

das mit den Christen sah am Anfang gar nicht nach Erfolgsstory aus. Ihr Meister wurde als Irrlehrer und Verbrecher hingerichtet, die Fahndung nach ihnen lief unerbittlich und einer aus der engsten Gefolgschaft wurde abtrünnig und erhängte sich. Das Zeugnis vom Auferstandenen stieß auf Unglauben, und nach Pfingsten ging die Verfolgung erst richtig los. In einem brisanten Gemisch aus Bekennermut, Hoffnung und Irritation formierte sich die Gemeinde der ersten Jahre und Jahrzehnte inmitten einer immer feindseligeren Umgebung. Dass der Glaube an den Mann aus Nazareth sich mit solcher Dynamik ausbreiten würde, hätten sich die Jünger nicht träumen lassen.

Aber auch der Widerstand dauert an. So wie sich die Christen einst zwischen „Christus oder Caesar“ entscheiden mussten, werden sie heute in vielen Ländern des Nahen Ostens vor die Alternative „Christus oder Mohammed“ gestellt. Nicht wenigen kostet das Bekenntnis ihr Leben. Als der Islamische Staat (IS) im Irak Dörfer und Städte besetzte, wurden Häuser von Christen mit dem arabischen Buchstaben „Nun“ gezeichnet, als Symbol für „Nasrani“, (naşrānī) = Nazarener, wie der Koran sie bezeichnet. Unter muslimischen Extremisten, aber auch in atheistischen Diktaturen, werden sie und andere religiöse Gruppen behandelt „wie Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat“ (Römer 8, 36). Die hinterhältigen Bombenattentate auf Kopten an Palmsonntag in Tanta und Alexandria zeigen, dass die dunkle Stunde nicht vorbei ist und der IS seine Drohungen wahr macht: „Die Kreuzzügler und die mit ihnen alliierten Abtrünnigen sollen wissen, dass die Rechnung zwischen uns offen und sehr lang ist.“ Angesichts solcher Bedrohung und Erschütterung empfinden wir oft Ohnmacht, Betroffenheit und dann den Impuls, zu retten, was zu retten ist. Gerne öffnen wir die Türen unserer Kirchen, Häuser und Herzen für verfolgte Christen und meinen, damit auf der sicheren Seite zu sein. Eine andere Sicht der Dinge erschloss sich mir auf der Reise in den Irak im Januar (S. 62). Wir trafen Hirten und Kirchenleiter, die alles dafür tun, dass ihre Geschwister im Land bleiben können, in ihrer Heimat, in der das Christentum schon lange vor der Islamisierung verwurzelt war. Ihnen erscheint die europäische Flüchtlingsstrategie der letzten Jahre zwar als gut gemeint, perspektivisch aber wenig hilfreich. So konfrontierte mich Erzdiakon Emanuel Youkhana: „Ganz ehrlich, wenn Sie alle rufen und aufnehmen, vollstrecken Sie, was der IS anstrebt“ (S. 67). Die Kirche im Nahen Osten braucht die Solidarität der Völker und Kirchen der freien Welt, die sich dafür einsetzen, dass Minderheiten in den vom IS verwüsteten Ländern eine Zukunft haben. Die beschleunigte Evakuierung von Christen und Jesiden aus dem Irak bestätigt und befeuert die rigide Minderheitenpolitik der Regierung. Was hat der Westen davon, wenn er dieser Politik nichts entgegensetzt? Was hat die Kirche Jesu davon, wenn das Graffito, das mir auf einer Haustür im zerstörten Batnaya entgegenprangt: „Im Gebiet des Islam ist kein Platz für das Kreuz“, das letzte Wort behält?

Luxusprobleme im Lutherjahr

In Anbetracht der zugespitzten Lage dort erscheint es als Luxusproblem, wenn wir im Reformationsjahr um althergebrachte konfessionelle Zerwürfnisse kreisen, und erst recht, wenn wir uns auf kircheninterne Grabenkämpfe, Haushaltsdebatten und Profilierungsfragen fixieren. Es ist wichtig, dass wir die Zerrissenheit des Leibes Christi als Wunde wahrnehmen und um Einheit ringen. Doch ist es dann nicht an der Zeit, dass die Kirche des Westens mit EINER Stimme gegen das offensichtliche Unrecht und Leid, das am Leibe Christi im Nahen Osten geschieht, protestiert und aufsteht?
„Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ – verkündet der Auferstandene. Er gibt den Seinen die Vollmacht, durch Gebet, Bekenntnis und aktive Solidarität ins Weltgeschehen hineinzuwirken. Wie gestalten wird diese Vollmacht? Wie offensiv treten wir ein vor weltlichen und geistlichen Obrigkeiten für die Belange der Verfolgten? Wie vernehmbar künden wir von Gottes Gericht über die Mächtigen der Welt, die aus Kalkül und Profitgier Leiber und Seelen knechten und das Blut Unschuldiger vergießen? Wie können wir Christen mobilisieren, sich offensiv für verfolgte Geschwister einzusetzen? Könnte, sollte das nicht auch eine Frucht des Reformationsjahres 2017 sein?

Gott schreibt mit uns Geschichte

Angesichts des sich in die Belanglosigkeit und Bedeutungslosigkeit manövrierenden Christentums im säkularen Westen und der immer brutaler verfolgten Gemeinden in den Krisenregionen der Welt könnte man resignieren. Oder – ins Fromme gewendet – auf ein baldiges Ende dieser Welt spekulieren, gar mit einer Entrückung der Gläubigen, bevor es richtig brenzlig wird. Aber wir sind nicht zum Rückzug berufen und beauftragt! Gerade wenn wir als Volk Gottes nach menschlichem Ermessen am Ende sind, greift Er ein und eröffnet neue Wege. Not, Elend und Gefahr, die uns entmutigen wollen, wendet Gott in Segen und Vollmacht, das Anbrechen des Reiches Gottes zu bezeugen. Die Kirche lebt, weil der Auferstandene lebt – das ist die stärkste Botschaft zwischen Ostern und Pfingsten! Gott schreibt mit und durch uns Geschichte. Wir dürfen als deren Protagonisten unsere Geschwister im Nahen Osten durch Gebet und Bekenntnis mittragen – so, wie ihr Gebet und ihr Bekenntnis unseren Glauben zu neuer Lebendigkeit entfacht. Vom großen Reichtum solcher Zeugenschaft berichten die Beiträge in diesem Salzkorn.

Sola! statt so lala

In verworrenen Zeiten werden klare Standpunkte rar, weil sie uns Konsequenzen abverlangen könnten, die etwas kosten. Andererseits steigt die Anfälligkeit für Plattitüden und einfache (Schein-)Lösungen, die Sicherheit und Orientierung versprechen. An Himmelfahrt werden wir daran erinnert, uns neu an Christus auszurichten und von seinen Verheißungen her zu leben. Nur er kann uns Heimat, Freundschaft und Richtung geben. Aus seiner Vollmacht schöpfen wir Hoffnung für die Welt, Bekennermut und die prophetische Schau auf die herausfordernden Geschehnisse, in die wir hineingestellt sind. Wir laden Sie am 25. Mai herzlich zum Tag der Offensive ein. (S. 58): Kommen Sie mit Kindern, Eltern und Freunden zu unserem Freundestag, an dem wir uns gemeinsam auf den ausrichten, der uns in der Geschichte entgegenkommt: Christus.

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