Zu einer Ökumene, die Christus schenkt

Was heißt Ökumene und wie verstehen wir uns als ökumenische Kommunität? Unsere geistliche Regel, die „Grammatik des gemeinsamen Lebens“, spricht pragmatisch und programmatisch von einer „gelebten Ökumene“. Der Gründer der OJC, Horst-Klaus Hofmann, ermutigte von Anfang an zu einer konfessionellen Weite. Er hatte keine Scheu, die Schätze der anderen Konfessionen zu heben und in unsere biblisch-reformatiorische Praxis einfließen zu lassen. Für ihn hatte die Orthopraxie (griech: rechtes Handeln) Vorrang vor der Orthodoxie (richtige Lehrmeinung) und so orientierte sich unser Miteinander an der Richtschnur des heiligen Augustinus: „Im Wesentlichen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem aber Liebe.“

Editorial

Der wahre Schatz der Kirche aber ist das heilige ER.

– Martin Luther , 62. Ablassthese

Nach der Heiligen Schrift gibt es aber keine „Kirchen“ im Plural.

– Karl Barth

Liebe Freunde

„Alle reden von Revolution – wir auch!“ war 1968 das Motto der ersten OJC-Tagung für junge, engagierte, unzufriedene Schüler und Studenten. Es war höchste Eisenbahn, denn das Generationengefüge drohte auseinander zu brechen. In diesen Bruch stellten sich die Verantwortllichen hinein und fanden ihre Berufung als OJC-Glaubenswerk. Unsere kirchliche Identität ist seit der Reformation geprägt von den historischen Gräben und Brücken der letzten 500 Jahre. Ohne die damalige Spaltung der Kirche wären wir keine Gemeinschaft mit unterschiedlichen Konfessionen. Doch würde es diese umgekehrt ohne die ökumenische Bewegung der letzten hundert Jahre als ökumenische Kommunität gar nicht geben.

Gelebte Ökumene

Was heißt Ökumene und wie verstehen wir uns als ökumenische Kommunität? Unsere geistliche Regel, die „Grammatik des gemeinsamen Lebens“, spricht pragmatisch und programmatisch von einer „gelebten Ökumene“. Der Gründer der OJC, Horst-Klaus Hofmann, ermutigte von Anfang an zu einer konfessionellen Weite. Er hatte keine Scheu, die Schätze der anderen Konfessionen zu heben und in unsere biblisch-reformatiorische Praxis einfließen zu lassen. Für ihn hatte die Orthopraxie (griech: rechtes Handeln) Vorrang vor der Orthodoxie (richtige Lehrmeinung) und so orientierte sich unser Miteinander an der Richtschnur des heiligen Augustinus: „Im Wesentlichen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem aber Liebe.“

Im Rückblick ist es ein Wunder und Wirken des Heiligen Geistes, dass das Fundament des Vertrauens und der Liebe unter evangelischen Volkskirchlern (S. 12), Katholiken (S. 14) und Freikirchlern (S. 20) im Laufe der Zeit, trotz unterschiedlicher Entwicklungen, nicht dünner, sondern tragfähiger geworden ist! Ohne diese Voraussetzung hätten wir das große Fass unserer unterschiedlichen Konfessionalitäten gar nicht öffnen können. Passend zum Reformationsgedenken möchten wir Ihnen Anteil an unseren ersten, auch Schwerem nicht ausweichenden Gesprächen (S. 30) und Gedanken zur Ökumene (S. 16) geben.

Kirchen im Plural

Die Spaltung in diverse Kirchen gehört zur Dauererfahrung der Christenheit. Sie ist eine sichtbare Wunde am Leib Christi. Die Ursachen waren selten rein geistlicher Natur, sondern ebenso oft von säkularen Machtansprüchen, sozialen Umbrüchen und geopolitischen oder ethnischen Grenzziehungen verursacht und motiviert. Auf der Ersten Vollversammlung in Amsterdam am 1. September 1948 ermahnte der Theologe Karl Barth in einer Ansprache: „Nach der Heiligen Schrift gibt es aber keine ‚Kirchen‘ im Plural. … Die Kirchen sind nach der Schrift die lokalen Gemeinden, während die Kirche die Gemeinschaft aller Heiligen ist, an die wir glauben.“

Doch denken wir Kirche überhaupt noch im Singular? Wie steht es unter uns im Blick auf das Herzensgebet Jesu, „auf dass sie eins sein sollen“ (Joh 17,21)? Hängen wir nicht ebenso an teils begründeten Vorbehalten und inneren Ambivalenzen? Worum geht es uns bei Ökumene eigentlich? Das Ziel ist gewiss nicht die neue Superkirche, in der alle Unterschiede und Gegensätze irgendwie subsumiert und in eins verbacken werden. Das wäre nur eine modern-fromme Version des „Turms zu Babel“, dessen Bau sich zu sehr am menschlichen Bedürfnis nach Harmonie oder Stärke orientierte. Es geht auch nicht um eine unterschiedslose, langweilige und träge Einheit. Es geht vielmehr um eine geistliche Gemeinschaft der Heiligen, die um Einheit fleht und die sich am dreieinigen Beziehungsvorbild Vater, Sohn und Heiliger Geist orientiert. Wer inbrünstig und unermüdlich bittet, bleibt empfänglich für das Reich Gottes – auch wenn er an der zergliederten Kirche leidet.

Konfessionell reifen

Aus dem gemeinsamen Leben wissen wir: Sich vergleichen macht unglücklich und hindert den Reifeprozess. Wer am anderen nur die Schwächen sieht und die eigenen Stärken poliert, bleibt unreif. Das ist im konfessionellen Kontext kaum anders: Wir befinden uns immer noch vorwiegend im Modus der Grenzziehung und des Vergleichens. Statt die Gemeinsamkeiten hervorzuheben, betonen wir eher die Unterschiede. Wir können präzise den Finger bei den anderen in die Wunde legen, ihren Unglauben oder ihre „Irrlehren“ geißeln und wissen genau, was der andere von uns lernen könnte. Wäre es aber nicht an der Zeit, sich einander mit ganzem Herzen zu zeigen, auch von der Schattenseite? Wie könnte ein Symposion aussehen, das vom Primat geleitet wird, dass wir uns von der Seite des Mangels und der Schwäche zeigen: Womit ringen wir? Was hat bei uns ungute Schlagseite? Wo ist unsere Not? Wo braucht es Veränderung und Erneuerung bei uns? Was erhoffen wir uns an Weisung, Ergänzung und Korrektur durch den anderen? Konfessionell reifen wir dort, wo wir uns einander aufrichtig zeigen können.
Thomas Römer, CVJM München und Mitbegründer der Bewegung „Miteinander für Europa“ (MfE), gibt uns fünf Schlüssel zur Einheit an die Hand (S. 8). Sein Plädoyer: Statt einander den Kopf, sollten wir einander lieber die Füße waschen. Als ökumenisches Pendant dazu Gedanken von Walter Kardinal Kasper (S. 25), der auf dem letzten MfE-Kongress sagte: „Wir haben einen Traum, aber wir sind keine Tagträumer. Wir sehen Probleme. Aber wir wissen auch: Die Ökumene ist ein Durchgang des Heiligen Geistes durch die Kirche. Auf ihn ist Verlass!“

Die OJC im Irak

Als Paulus an die Gemeinde in Kolossä schrieb, war ihm klar: Die Kolosser gibt es, weil es die weltweite Kirche und den Missionsbefehl Christi gibt. Der Leib Christi ist immer größer als die eigene Gemeinde oder Kirche. Zum Leib Christi gehören ebenso die verfolgten Geschwister in den bedrängten Gebieten dieser Welt. Um diesen Geschwistern auch unter uns ein konkretes Gesicht zu geben, sind Frank Paul, Gottfried Spangenberg und ich für eine Woche in den Irak gereist, um die Situation der Christen vor Ort kennenzulernen. Auf unserer Reise durften wir mit Sondergenehmigung auch in das Kriegsgebiet, in dem vor wenigen Wochen noch blutige Kämpfe zwischen dem IS und den Streitkräften tobten. Wir haben Kirchen gesehen, in denen der IS gehaust, Menschen geschändet, Kinder indoktriniert und Wehrlose gefoltert hatte. Die traumatisierte Bevölkerung und vor allem auch die Christen und Jesiden ringen mit der Frage: Bleiben oder gehen? Warum bleiben und alles aufbauen, wenn es wieder zerstört wird? Wenn sie aber alle gehen, hat der IS sein Ziel erreicht, wie es eine Wandschmiererei im zerstörten Batnaya bekundet: „In der islamischen Welt gibt es keine Christen.“ Wir wollen dazu beitragen, dass Christen die Kraft haben, im Irak zu bleiben und dort eine Zukunft aufzubauen. Die Christen im Irak unterstützen wir ab sofort als ein vordringliches Projekt der ojcos-stiftung. Bitte helfen Sie mit, dass die Gemeinden in Bashika nahe der Stadt Mossul ihre Kirchen als Orte des Glaubens und der Hoffnung wieder aufbauen können (siehe rechts). Im nächsten Salzkorn werden wir ausführlicher über unseren Besuch im Irak berichten.

Gemeinschaften als Kirchentherapie Gottes

Um den Buß- und Bettag findet jährlich das „Treffen Geistlicher Gemeinschaften“ (TGG) statt. Über neun Jahre begleitete Bischof Jürgen Johannesdotter als Beauftragter der EKD für die Kommunitäten dieses Treffen und auch unsere Kommunität (S. 42). Wir sind dankbar für seinen treuen Hirtendienst und freuen uns auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem neuen Beauftragten, dem Landesbischof von Braunschweig Dr. Christoph Meyns (S. 38). Beim letzten Treffen sprach der katholische Theologe und Gastreferent Prof. Dr. Gerhard Lohfink uns Kommunitäten ein mahnend-ermutigendes Wort ins Stammbuch: „Geistliche Gemeinschaften sind keine Inseln und sie sind auch keine Reservate für ein erfülltes christliches Leben. Sie sind für die Kirche da – und damit für den Plan Gottes mit der Welt. Vielleicht darf man sie sogar als die ‚Kirchentherapie Gottes‘ bezeichnen. Sie sind Mahnung und Zeichen dafür, dass es eigentlich in der Kirche immer und überall (…) Jesusnachfolge geben müsste, Jüngerschaft, Exodus, Aussendung, radikales Leben nach dem Evangelium, Verknüpfung des Lebens, neue Gesellschaft, brüderliches und schwesterliches Miteinander und nicht zuletzt die biblische Sorglosigkeit, die uns Jesus gelehrt hat.“

Reformation – wer tut’s?

„Sola! statt so lala …“ lautet das Motto unseres diesjährigen Freundestages an Himmelfahrt. Und wir fragen uns und jeden: Alle reden von Reformation – wer tut’s? Weil Gott es ist, der an uns handelt und weil unser Heil in Christus verbürgt ist, bleibt uns, dies zu glauben und zu bekennen – ganz besonders auch im alltäglichen Leben. So wird unser von Umkehr und Erneuerung geprägtes Reden und Handeln über die persönliche Sphäre hinaus auch in Kirche, Politik und Gesellschaft relevant. Wir laden Sie herzlich ein, sich mit uns neu für den Alltag eines Christenmenschen fitzumachen. Kommen Sie mit Ihren Kindern, Freunden, Verwandten, Nachbarn, Kommilitonen zum Tag der Offensive (S. 28)! Vereint mit Ihm und eins in Ihm möchten wir gerade im Reformationsgedenkjahr darauf vertrauen, dass Christus als Haupt ein jedes Glied am Leib erneuern, erquicken und zu Ehren bringen möchte.

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