Mein Freiwilliges Soziales Jahr in der OJC
Silas W.
Ein Jahr, das einen komplett neuen Lebensabschnitt markiert, muss sich in der Nachbetrachtung natürlich daran messen lassen, was man sich davon erhofft hatte. Ich habe mir von meinem Jahr bei der OJC die Verbesserung meiner Beziehung zu Jesus, eine coole Aufgabe und Orientierung für danach gewünscht. Und in unterschiedlicher Intensität habe ich das alles auch bekommen.
Frisch aus der Schule
… war es nicht leicht, sich auf all das Neue einzulassen. Mitarbeit in einer Onlineredaktion und auf der Baustelle haben erstmal nicht so viel mit G8 zu tun und auch die Menschen, auf die man trifft, waren doch, ich sag mal, spezieller, als die paar Leute, die man sich aus dem Jugendkreis oder der Klasse raussucht. Bei aller anfänglichen Euphorie wurde ich auch mit Unsicherheit konfrontiert. Plötzlich musste ich acht Stunden am Tag mit Menschen und Arbeit verbringen, die ich mir nicht ausgesucht hatte. Zu meinem großen Glück gefiel mir meine Arbeit von Anfang an sehr. Mit den Menschen, mit denen ich viel Kontakt hatte, kam ich auch sehr gut klar. Als FSJler hatten wir schnell an langen Abenden sehr viel Spaß miteinander. Dabei ist es keinem von uns mit allen gleich leichtgefallen.
Aber irgendwann war ich bereit für den Ruck, den ich mir geben musste, um mich eben auch in der großen Runde zu öffnen und ehrlich vor allen zu sein. Das hing auch damit zusammen, dass in der OJC die Bereitschaft vorausgesetzt wird, sich auf ganz viel Neues und Unbequemes einzulassen. Man lernt sehr unmittelbar, dass es in angespannten Situationen wenig hilfreich ist, alles doof zu finden. Man bekommt hier keine völlig unlösbaren Aufgaben. Die OJCler sind erfahren genug, um zu wissen, was man jungen Leuten zumuten kann. Aber es geht darum, die Verpflichtung, die man für das Jahr eingeht, wirklich anzunehmen, Privatsphäre und frei verfügbare Zeit manchmal der Gemeinschaft zuliebe hintanzustellen, sich Menschen zu öffnen, auch wirklich nachzufragen und aktiv nach Situationen zu suchen, in denen man tätig werden kann.
Man wird in der OJC als erwachsener Mensch wahrgenommen und erwachsenen Menschen werden die Angebote nicht hinterhergetragen. Man kann oft selbst entscheiden, ob man sie annimmt. Ich habe das zumindest versucht. Ich kann jetzt besser offen in Gespräche starten, davon ausgehen, dass ich wirklich etwas lernen kann, dass jetzt halt niemand das Klo putzt, wenn ich es nicht mache, und dass sich gar nichts ändert dadurch, dass ich darauf keine Lust habe.
Ich bin fähig geworden,
… das Angebot, wirklich alle Fragen stellen zu dürfen, schonungslos zu nutzen und habe das Gefühl genossen, in einem großen Kontext an etwas Sinnvollem mitzuarbeiten. Dadurch waren meine Tage oft sehr voll, aber ich hatte vermutlich trotzdem ein wesentlich besseres Jahr, als wenn ich immer streng auf die Einhaltung meines Achtstundentages geschaut hätte.
Das Schöne ist, dass man voll ausgelastet einen relativ normalen Arbeitsalltag nahegebracht bekommt, aber in keiner Situation auf seine reine Arbeitskraft beschränkt wird. Weil ich den Leistungsdruck von früher lange nicht richtig loslassen konnte, war es mir oft fast zu viel: Reflektion, Gespräch, Seelsorge und Lebensbaum malen. Ich wollte mir nicht immer Gedanken über mich machen. Ich wollte lieber etwas schaffen. Aber mit der Zeit merkte ich, dass den Menschen hier wirklich im Ernst daran gelegen ist, dass man verändert aus dem Jahr rausgeht. Die Mentorengespräche sind keine produktivitätserhaltenden Maßnahmen, die halt irgendwie abgewickelt werden müssen. Sie sind das, was man für seine Mitarbeit dort zurückbekommt, nämlich eine nachhaltige, ganzheitliche Schulung, durch die man reifen kann. Gut, in manchen dieser Gespräche könnte man den Eindruck gewinnen, die OJCler seien sehr kluge, intellektuelle Theoretiker. Viel von dem, was sie uns zu sagen hatten, klang erstmal genauso logisch, wie inhaltlich überfordernd.
Das ist aber nicht schlimm,
… denn am nächsten Tag erklärt einem dann der Handwerker, unter einer kaputten Waschmaschine liegend, was die konsequente Übernahme von Verantwortung im eigenen Leben jetzt ganz praktisch bedeutet.
Das Bild des lebensphilosophischen Elektrikers beschreibt für mich das Zusammenspiel aus Nachdenklichkeit und Praxistauglichkeit in der OJC eigentlich sehr gut. Die Mischung aus Denken und zielstrebigem Handeln ist für mein Leben beispielhaft geworden. Dass das auch ins Glaubensleben hineinreicht, ist dann ja fast schon klar. Theologische Fragen werden in der Themenwerkstatt, in der Bibelstudie und der Liturgie des Alltags mit großer Regelmäßigkeit und inhaltlicher Dichte zum Thema. Zusätzlich bekommt man jeden Morgen eine Stunde Zeit, um wirklich mit Jesus ins Gespräch zu kommen darüber, was sein Handeln in meinem Leben eigentlich bedeutet. Auch das ist mir selten leichtgefallen, aber es hat mein Verständnis vom Leben in Gemeinschaft mit Jesus und wunderbar vielfältigen Menschen entscheidend geprägt. Ich empfehle jedem Menschen mit Fragen und Lust auf Beschäftigung ein Jahr in der OJC.
Silas W. hat 2021/22 ein FSJ in der OJC gemacht. Jetzt studiert er Politikwissenschaften und Philosophie in Heidelberg.
Konstantin Mascher hat Silas zu seinem Jahr in der OJC ausführlich befragt, das kann man in unserem Podcast feinhörig nachhören.