ÜberMensch?
Als Kirche haben wir ein Wächteramt in dieser Welt, wir sind aufgefordert, die Zeichen der Zeit im Kontext von Gottes Verheißungen zu deuten. In diesem Heft möchten wir zu Papier zu bringen, was wir wahrnehmen und zugleich darauf verweisen, was uns im Evangelium als Hoffnung aufleuchtet. Denn ein Christ weiß, „dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt“ (Römer 8, 22), aber er verzagt nicht.
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Editorial
Hoffnung für die Schöpfung
Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat –, doch auf Hoffnung; denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt.Die Gewissheit des Heils
Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes. Denn wir sind gerettet auf Hoffnung hin. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.– Römer 8, 18 – 25
Liebe Freunde
als ich vor wenigen Wochen nach 14 Jahren wieder in eine Gemeinde zu einem Vortrag eingeladen wurde, begrüßte mich der Gastgeber mit folgenden Worten: „Was du uns damals gesagt hast, ist heute leider Wirklichkeit.“ Es ging damals um das Gender-Mainstreaming und auf was diese politische Strategie hinausläuft. Natürlich hoffte ich seinerzeit, dass sich die verstiegenen Konzepte des GM nie realisieren würden, doch die Wirklichkeit zeigt: Es ist noch schlimmer gekommen. Mit guten Absichten und fatalen Folgen wird die Sprache gegendert, das Geschlecht dekonstruiert und Gesetze installiert, die eine Auflösung der Zweigeschlechtlichkeit bewirken.
Transhumanismus – wie bitte?
So mag uns auch das Thema Transhumanismus heute absurd, futuristisch und wirklichkeitsfern erscheinen. Doch wir stehen an der Schwelle einer rasanten Entwicklung, die unser Leben radikal umkrempeln und in Frage stellen wird. Es ist nicht mehr nur ein Thema einiger Phantasten, Utopisten oder irgendwelcher Nerds, die in ihrer Garage herumwerkeln. Das global agierende Weltwirtschaftsforum und sein Gründer träumen von einer Zukunft, in „der die Menschheit auf eine neue kollektive moralische Bewusstseinsstufe“ durch ein neues Technologiezeitalter gehoben wird.1
„Human Enhancement“
Der so positiv anmutende Begriff „Human Enhancement“ („Verbesserung des Menschen“) umreißt das Anliegen der transhumanistischen Bewegung ganz treffend. Das Programm umfasst eine Palette von Möglichkeiten, durch Gen-, Bio-, Neurotechnologie und Pharmakologie gegen das Altern, Krankheiten und Behinderungen vorzugehen. Doch das eigentliche Ziel ist die deutliche Verlängerung der Lebenserwartung des Menschen und eine „Optimierung“ des Körpers mit seinen Fähigkeiten und Funktionen durch disruptive Technologien, die unsere jetzigen Vorstellungen sprengen.
Überwindung des Menschen
Die Vision ist nicht neu, scheiterte allerdings bisher an der Umsetzung. Inzwischen aber tritt die „Verbesserung des Menschen“ aus dem Schatten des Möglichen und stellt uns vor ganz reale ethische Herausforderungen. Man denke nur die CRISPR-Methode zum cut-copy-and-paste des Erbgutes oder an die mitochondriale Ersatztherapie, die eine künstliche Befruchtung mit drei genetischen Eltern ermöglicht. Die Sehnsucht hinter dem Bestreben ist uralt: Endlich von der Knechtschaft der Begrenzungen, der Gebrechlichkeit und Vergänglichkeit befreit zu werden (Römer 8, 21). Es ist die große Sehnsucht, nicht mehr auf einen Schöpfergott angewiesen zu sein und die vorfindlichen Grenzen der menschlichen Existenz zu überwinden.
Zeichen der Zeit
Als Kirche haben wir ein Wächteramt in dieser Welt, wir sind aufgefordert, die Zeichen der Zeit im Kontext von Gottes Verheißungen zu deuten. In diesem Heft möchten wir zu Papier zu bringen, was wir wahrnehmen und zugleich darauf verweisen, was uns im Evangelium als Hoffnung aufleuchtet. Denn ein Christ weiß, „dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt“ (Römer 8, 22), aber er verzagt nicht. Er weiß, dass unser Leib nicht durch künstliche Verlängerung oder durch die Optimierung seiner Funktionen erlöst wird, sondern allein in der Auferstehung, die durch Jesus Christus sichtbar geworden ist. Diese hoffnungsvolle Vision muss in den kommenden Jahren noch viel mehr zum Leuchten kommen.
Als OJC-Gemeinschaft wollen wir ein Ort sein, an dem die Gebrechlichkeit des Menschenlebens wahr sein darf. Um diesem Ansinnen Nachdruck zu verleihen, stellte sich unsere Gründergeneration auf ihrer Retraite im September ganz offensiv den Fragen des Alterns, Sterbens und der Ewigkeit (S. 39). Sie geben uns hier Anteil an ihren Themen.
Weihnachten – die Vollendung des Menschen
Jedes Jahr feiern wir an Weihnachten das Kommen Jesu als kleines Kind. Das ist Erinnerung und Ermutigung: Unsere ganze Würde liegt im Menschensohn, der uns in die Vollendung führen wird. In der Weihnachtsnacht hat Gott die tiefste Sehnsucht seiner Geschöpfe beantwortet: Die Fleischwerdung des Logos bestätigt unsere Gottebenbildlichkeit und schenkt uns das Menschsein zurück.
Patenaktion 2.0
Nachdem wir vor einigen Jahren so gute Erfahrungen mit OJC-Patenschaften gemacht haben, möchten wir einen erneuten Anlauf nehmen und hoffen auf weitere Freunde, die sich mit uns verbünden und monatlich spenden (S. 46). Danke, wenn Sie, wenn Ihr unser Anliegen wohlwollend aufnehmt und zur eigenen Sache macht. Wir sind für alle Zeichen Eurer Verbundenheit und Freundschaft von Herzen dankbar; jeder Besuch, Anruf, Leserbrief und jede Nachricht ist uns eine Stärkung und Ermutigung.
Klaus Schwab: Die Zukunft der Vierten Industriellen Revolution. Wie wir den digitalen Wandel gestalten. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2019, S. 14. ↑