Das therapeutische Kalifat

Stöbern in Guiseppe Gracias neuem Buch

Nach meinem Fachabitur habe ich nur Nachrichten gelesen, keine Romane, keine Krimis, keine Schnulzen – nichts. Bis ich dann ermutigt wurde, „Das therapeutische Kalifat“ von Giuseppe Gracia zu lesen. Darin stellt der Autor die aktuelle politische Lage und die Meinungsfreiheit in gesellschaftskritischer Manier satirisch und ironisch dar. Er beschreibt die Erziehung und Therapie des Volkes durch Medien und Politik. Man kann seine Meinung kaum noch äußern, ohne einen Stempel aufgedrückt zu bekommen. Was zunächst etwas verschwörungstheoretisch klingt, stellt sich allmählich als Satire heraus, die zugespitzt formuliert. Während ich das Buch las, kamen mir einige Fragen zu dem, was der Autor im vierten Kapitel „political correctness“ schreibt: „Für eine öffentliche Diskussion bedeutet die politische Korrektheit zum Beispiel: Es darf nicht mehr um gute oder schlechte Argumente gehen, um einen Pluralismus der Anschauungen. Nein, statt um gute oder schlechte Argumente geht es um gute oder schlechte Menschen. Statt eines Wettbewerbs der Ideen dominiert ein Beauty-Contest der Moral-Apostel. Sind wir weltoffen genug? Sind wir fortschrittlich genug? Oder sind wir Reaktionäre, Nationalisten, Faschisten?“

Ich wollte wissen, worin sich das äußere, dass es nur um die guten oder schlechten, bzw. um die besseren und schlechteren Menschen geht, und nicht um deren Meinung. So suchte ich die Mailadresse des Autors und nahm Kontakt auf. Ich hatte nicht mit einer Antwort gerechnet, wurde aber überrascht. Gracia schrieb mir umgehend: „Was ich meine, können Sie bei fast jeder Talkshow oder auf einem Podium oder sogar manchmal bei einer Debatte unter Kollegen beobachten. Jemand sagt etwas Abweichendes – z. B. kritisch gegenüber Islam, Migration, Gender – und dann wird diese Person sogleich als moralisch dubios betrachtet und muss sozusagen beweisen, dass sie es nicht rassistisch, sexistisch usw. meint. Es geht also nicht mehr um ihre Argumente, sondern um die Person selbst – achten Sie einmal bei der nächsten Mediendebatte darauf, wie schnell es darum geht, kritische Stimmen moralisch zu bewerten statt inhaltlich-sachlich darauf einzugehen.“

Ich musste eine Weile darüber nachdenken, bis mir auffiel, dass er recht hat. Wir achten immer mehr darauf, dass wir uns „politisch korrekt“ ausdrücken, um ja nicht missverstanden zu werden oder als rassistisch, sexistisch, feministisch, homophob usw. zu gelten. Ganz klar: es geht nicht um das beste Argument, sondern nur darum, wer sich am besten präsentiert. Eben der, der die „politisch korrekten“ Meinungen hat und auch vertritt. Den Blick des Autors auf die Narrative unserer Zeit und wie sie vom Leser nachvollziehbar gehört werden können, illustrieren folgende zwei Beispiele:

Klimawandel

Politisch „korrektes“ Narrativ:
„Seit der Industrialisierung zerstört der Mensch die Umwelt und ist verantwortlich für den Klimawandel, der nur gestoppt werden kann, wenn die bösen Konzerne und Politiker endlich zum grünen Handeln gezwungen werden.“ Diese Grundhaltung wird Sie in jeder Runde als guten Menschen etablieren.
Unbedingt zu vermeiden ist dieses Narrativ:
„Nicht wir bestimmen das Klima, sondern das Klima bestimmt uns. Wir befinden uns am Ende einer Eiszeit. Das verursacht den Klimawandel mehr als jede Maschine des Menschen. Im Laufe der Jahrmillionen hat die Erde gewaltige Klimaveränderungen erlebt: Eiszeiten mit globalem Winter, Schmelzen der Polarkappen mit globalem Sommer (wie im Animationsfilm Ice Age 2, nur nicht so schnell). Die Menschheit kann diese Phasen, vergleichbar mit kosmischen Jahreszeiten, nicht groß beeinflussen.“

Abtreibung

Politisch „korrektes“ Narrativ:
„Die Frau ist erst dann vom Joch der Männerherrschaft befreit, wenn sie das Recht auf Abtreibung hat.“ Oder: „Wer keine Gebärmutter hat, soll zu diesem Thema schweigen.“
„Frauen tragen die Hauptlast der Kinder, also dürfen sie auch entscheiden, ob ihre Kinder überhaupt auf die Welt kommen.“
„Böses“ Narrativ:
„Bei der Abtreibung geht es nicht um die Selbstbestimmung der Frau, sondern um die Vernichtung eines Kindes. Da Abtreibung das Menschenrecht auf Leben verletzt, kann sie nicht selbst zum Menschenrecht erhoben werden. Wer Frauen Gutes tun will, wird sie nicht zur Abtreibung ermutigen, sondern ihnen helfen, ihr Kind zu bekommen.“

Das Buch eignet sich mit seinen knapp 60 Seiten auch als kleine Abendlektüre zum Nachsinnen. Mich hat es angeregt und ermutigt, meine Meinung freier zu äußern. Verständlich auszusprechen, was meine Anliegen und Werte sind, zu denen ich stehe, ohne großartig darauf zu achten, was andere von dem halten könnten, was ich sage. Denn ich weiß, dass ich mit meiner Meinung von Gott angenommen bin.


Das therapeutische Kalifat. Wer mit der eigenen Meinung quer liegt, muss behandelt werden. Fontis-Verlag, Basel 201

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