Ich bin ansprechbar

Auf der Walz

Auf der Walz (Johannes Baum)

Zeugnis zu geben in einer nachchristlichen Zeit ist doch eher leicht als schwer. Je unchristlicher die Zeiten, desto mehr ist man doch Kontrast. Ich bin u. a. deshalb auf Wanderschaft (Walz) gegangen, um mich einer entgegengesetzten Lebenswelt auszusetzen. Raus aus der christlichen Blase – rein in die weite Welt! Dort treffe ich tagtäglich die unterschiedlichsten Menschen: vom Tellerwäscher bis zum Millionär und vom Katholik bis zum Satanisten. Und siehe da, alle sind wie du und ich! Alle tragen letztlich dieselben Bedürfnisse und Fragen in sich.

So wundert’s nicht, wenn ich etwa bei einer längeren Mitfahrgelegenheit (wir geben für das Reisen kein Geld aus) mit dem Fahrer wortwörtlich über Gott und die Welt ins Gespräch komme. Dort kann ich meinen Glauben teilen. Mit Betonung auf „meinen“, denn er muss nicht der Glaube des anderen werden. Ich gebe mir Mühe, bei mir zu bleiben und den anderen wirklich zu verstehen. Mir ist es wichtig, respektvoll mit ihm umzugehen und ihm nichts überzustülpen. Denn wenn ich Auf der Walz von Johannes Baum meinen Nächsten liebe, versuche ich, ihn zu verstehen – im demütigen Wissen, dass ich selbst noch auf dem Weg bin und noch nicht alles begriffen habe. Übrigens sind wir auf der Walz gehalten, uns politisch und religiös passiv zu verhalten, „missionieren“ kommt für mich schon deswegen nicht in Frage. Wenn ich „Zeugnis“ gebe, gebe ich keinen „Abschlussbericht“! Ich teile ehrlich mit, wo ich geradestehe, und hoff e, dass mein Gegenüber dasselbe tut. Bis jetzt hatte ich damit keine negativen Erfahrungen, nur bereichernde Diskussionen und einen guten Austausch. Vor meiner Wanderschaft hatte ich häufig die „Überzeugungskeule“ zur Hand, um den anderen in einem Argumentationswettstreit zu besiegen. Aus heutiger Sicht scheint mir das weder Gottes Wille zu sein, noch Frucht zu bringen.

Ob sich mein Glaube in meiner Arbeit zeigt? Beim Stundenschreiben bin ich gewissenhaft und bemühe mich, dem Bauherrn gerecht zu werden. Außerdem achte ich darauf, Fehler nicht unter den Teppich zu kehren, sondern ehrlich anzusprechen und gegebenenfalls auszubügeln. Am wichtigsten ist mir aber, bei aller Arbeit auf dem Bau, die Menschen um mich in den Mittelpunkt zu stellen – was mir als einem Perfektionisten nicht immer leichtfällt.

In der Metropole (Tobias Schöll)

Ich kann mich noch gut daran erinnern: Als ich zwischen 14 und 16 Jahre alt war, fragte ich mich immer wieder, ob Christsein nicht noch mehr bedeutet, als nett sein? Ob es eine wirkliche Relevanz für andere hat? Ob sich Christsein von anderen Lebenskonzepten unterscheidet? Mein Gefühl war, dass ich mich von meinen Freunden in der schwäbischen Heimat bis auf ein paar Unterschiede in meinen moralischen Vorstellungen und der Zugehörigkeit zu einem CVJM kaum unterschied. Ok, ich wusste, ich bin gerettet, sie nicht. Dachte ich zumindest. Ansonsten waren wir uns sehr ähnlich, und es gab entsprechend wenig Interesse bzw. Reibungspunkte.

Heute, als Hauptamtlicher im ChristusTreff Berlin, erlebe ich es sehr anders. Es wird immer deutlicher, wie enorm sich mein Lebenskonzept als Jesusnachfolger von vielen um mich herum unterscheidet und anderen durchaus als Reibungsfläche dient. Mit einigen Freunden aus dem linken Spektrum kommt es immer wieder zu Diskussionen, in denen sie auf Grundlage vieler Klischees und Halbwissen mit mir über das debattieren, was sie als „christlich“ wahrnehmen, und das ist zumeist ein Dagegensein. Andererseits erlebe ich auch eine große Offenheit und Neugierde für das, was ich glaube und lebe. Das Spannende dabei: Ich bin für viele die erste Person in ihrem Leben, die Jesus nachfolgt und ihnen von ihm erzählt. Menschen sind oft unglaublich off en dafür, für sich beten zu lassen, auch gerne um körperliche Heilung, und sie sind herrlich überrascht, wenn Jesus dann tatsächlich, manchmal an Ort und Stelle, ihre Beschwerden heilt. Das ist großartig und macht riesig Spaß!

Jesusnachfolge stellt sich für mich heute als wirklich revolutionärer Lebensstil in unserer Gesellschaft dar. Und authentisch und unverschämt gelebt, weckt er Interesse, kostet aber auch immer wieder viel Kraft und muss eingebettet sein in eine tragfähige Gemeinschaft, um auch trotz Widerständen lebendig zu bleiben!

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