Ich habe Hoffnung für dieses Land
Angst ist ein Gefühl, das mir fremd ist. Ich würde es eher Schock nennen. Am 7. Oktober war mein letzter Tag in Israel, den ich am Strand im Süden, nahe Gaza verbringen wollte. Ich war dort mit meiner israelischen Freundin. Am Morgen rief ihr Enkel an und beschwor sie, dass er uns von dort abholen könne. Nein, es sei nicht das Normale, sondern etwas Schreckliches sei geschehen! Er kam und hat uns sicher zurückgebracht. Am Tag darauf meldete er sich bei seiner militärischen Einheit zum Dienst.
Da die Flüge eingestellt wurden, konnte ich vorerst nicht nach Russland zurück. Ich blieb und half, wo ich konnte. Mit meiner Freundin brachten wir Lebensmittel und Medikamente zu alten Menschen, nachts, um die Ausgangssperren zu umgehen. Die Jungen, die sie sonst versorgten, waren alle eingezogen. Ich habe die junge Generation als stark, engagiert und solidarisch erlebt. Sie lieben ihr Volk, stehen füreinander ein und geben nicht klein bei, wenn es um ihre Freiheit geht.
In meiner Schulzeit im damaligen Leningrad hatte ich 13 jüdische Mitschülerinnen. Sie alle sind inzwischen nach Israel emigriert, und eine von ihnen ist diese beste Freundin. Wir saßen bis zum Abitur in der gleichen Schulbank. In ihrer Familie habe ich viel über das Judentum, die Bräuche und Feste gelernt, kenne auch ihre Kinder und Enkel gut. Als einige unserer erwachsen gewordenen Straßenkinder aus Russland nach Israel flohen, um nicht in den Krieg gegen die Ukraine ziehen zu müssen, hat sie sie aufgenommen und unterstützt. Ich habe das Land Israel durch ihre Augen kennen- und liebengelernt, und ich erkenne dort auch alle Schauplätze des Evangeliums wieder: Jeder Stein, jeder Ort erzählt von den Geschichten der Bibel. Einer ist mir besonders lieb: Der kleine Bach, an dem sich die beiden schwangeren Frauen Maria und Elisabeth begegnet sind.
Ich habe großen Respekt vor den Israelis. Sie sind ein starkes Volk und einander sehr verbunden. Ich habe die Hoffnung, dass sie einst sicher im Land ihrer Ahnen, in ihrem Erbe wohnen können. Jetzt herrscht Krieg, und es gibt keine Alternative zum Kampf, wenn sie ihre Heimat behalten wollen. Wenn sie Stärke zeigen, verschaffen sie sich auch Respekt vor den arabischen Nachbarn. Doch am Ende zählt, dass Gott für sie einsteht. Er liebt Israel, und darin liegt auch meine Hoffnung für das Land und seine Bewohner, für Juden und für Araber, für Muslime und Christen. Es braucht Frieden und Verständnis, das reicht für ein gutes Miteinander.