Wenn du mich so fragst: Ja!

Konstantin Mascher im Gespräch mit Volker Roggenkamp, Generalsekretär der SMD Deutschland

Konstantin Mascher: Das Wort Mission steckt schon in eurem Namen Studenten Mission Deutschland. Viele halten den Begriff für anstößig. Was sagst du dazu?

Volker Roggenkamp: Wir haben eine Überzeugung, die wir kommunizieren wollen, der man sich in aller Freiheit annähern kann. Es kommt schon mal vor, dass uns Leute fragen, ob wir sie bekehren wollen. Dann können wir ehrlich sagen: „Wenn du so direkt fragst, ja.“ Wenn es konkret wird mit dem Glauben, kommen wir nicht drum herum, auch anstößig zu werden.

Wenn man auf Mission grundsätzlich verzichtet, bekommt man ein riesiges theologisches Problem. Wenn ich meinem Nachbarn, der im christlichen Kontext groß wurde, von Jesus erzählen darf, aber nicht dem Muslim in der gleichen Straße, hieße das ja, Jesus sei nur für die zuständig, die schon vor 100 Jahren Christen waren. Dann reduziert man ihn zu einem Stammesgott und macht Jesus klein.

Meine These ist außerdem: Jeder Mensch hat Dinge, die ihm heilig sind, sei es Gerechtigkeit oder Klimaschutz oder Fußball. Und bei den Dingen, die uns heilig sind, möchte niemand nur ein paar Informationen austauschen, sondern beim Gesprächspartner etwas in Bewegung setzen. Wir wollen genau das gleiche.

Das ist also Teil eurer Identität. Dennoch, ist der Name SMD noch zeitgemäß?

Was die Mission angeht, schon. Diese Entscheidung unserer Gründer gibt uns auch eine gewisse Freiheit. Wir müssen nicht so übervorsichtig artikulieren. Alle paar Jahre kommt der Vorstoß, den Namen zu ändern, zuletzt weniger wegen der Mission, sondern wegen des generischen Maskulinums. Wir sind in dieser Frage offen und prüfen das. Unsere Mission ist nicht, ein bestimmtes Sprachempfinden durchzusetzen. Unsere Mission ist, das Evangelium von Jesus weiterzugeben. Deswegen soll das M stehen bleiben.

Ihr ladet Menschen zu einer lebenserneuernden Beziehung zum dreieinigen Gott ein. Was unterscheidet euch von anderen Initiativen?

Menschen werden verändert durch Beziehungen und durch Ideen. Beides darf man nicht gegeneinander ausspielen. Unser Fokus liegt auf der akademischen Welt, bei uns spielen auch theoretische Fragen eine große Rolle. Auch heute stellen Leute die klassischen Fragen nach Sinn, nach Identität, nach Glaube und Naturwissenschaft etc. Wir bewegen im öffentlichen Raum auch die ethischen, theoretischen, intellektuellen Fragen, ganz bewusst, entschlossen und fröhlich.

Sehr schön. An welchen Schnittstellen kann man noch mit jungen Menschen über Glaubensthemen ins Gespräch kommen?

Ein typischer SMD-Spruch: Lebensort ist Berufungsort. Mission ist nicht in erster Linie eine exotische Veranstaltung, sondern findet da statt, wo wir anderen begegnen. Wir müssen schauen, wo wir uns im Gespräch einbringen können, es vielleicht eine Not gibt, die eine Antwort braucht. Das unterscheidet uns nicht von anderen missionarischen Bewegungen.

Für die Akademiker gibt es Fachgruppen nach den akademischen Fächern, z. B. den sehr großen Arbeitskreis Christlicher Mediziner. Es gibt aber auch Fachgruppen für Ökonomen, für Ingenieure. Dazu gibt es Regionalgruppen, die eher eine Vernetzung in der Region fördern. Mehr im Fokus steht aber die Idee eines missionarischen Lebensstils. Wir bieten bewusst keinen Gemeindeersatz, sondern ermutigen Menschen, sich einer lokalen Gemeinde anzuschließen. In Mentoring-Programmen für Berufseinsteiger geht es z. B. darum, was es heißt, ein christlicher Ökonom oder christlicher Jurist zu sein. Das erschöpft sich nicht darin, irgendwie Zeugnis für Jesus zu geben, sondern es geht darum, zu durchdringen, was Ökonomie etc. ausmacht.

Ihr wollt einen missionarischen Lebensstil lernen und praktizieren. Wie macht man das?

Wir suchen das Gespräch, z. B. bei öffentlichen Veranstaltungen auf dem Campus. Manche Menschen sind eben doch offen oder auf der Suche. Das Evangelium muss erzählt werden. Manchmal haben wir da selbst zu viele Scheren im Kopf, anstatt es einfach zu machen.

Den Schülerinnen und Schülern bieten wir viele Sommerfreizeiten. In den 14 Tagen gemeinsamen Lebens merken die Menschen schnell, ob im Zusammenleben wirklich etwas anders ist oder ob nur ein paar fromme Sprüche gemacht werden. Ob das Reden, dass Jesus alle liebt, spürbar ist in der Art, wie man miteinander umgeht. Dann beginnen auch Gäste nach dem Geheimnis dahinter zu fragen.

Wo musste sich die SMD in den vergangenen Jahrzehnten verändern?

Beim Thema Digitalisierung hat meine Generation tendenziell einen zu stark moralischen Ansatz: Die ganze Zeit am Handy, das geht doch nicht! Nein, das müssen wir überwinden. Die digitale Welt ist de facto auch die Öffentlichkeit. Und wenn das Evangelium in die Öffentlichkeit soll, muss es auch da zu finden sein.

In der letzten Ausgabe eurer Zeitschrift SMD transparent ging es um das Miteinander der Generationen. Welche Grenzen und Gaben erlebt ihr in der jungen Generation?

Ich habe keinerlei Sorge, dass da irgendwas zusammenbricht. Die aktuelle Studentengeneration finde ich toll. Die sind engagiert. Die haben Jesus lieb. Ich erlebe Leidenschaft für die Organisation, Nachfragen bei Dingen und den Willen zu lernen.

Pauschale Aussagen über Generationen kann ich nicht bestätigen. Nicht für jeden Schüler ist der Klimawandel ein großes Thema. Manche träumen eher von einem Lambo als von einem Elektroauto. Menschen sind sehr, sehr unterschiedlich.

Wir haben Hunderte von selbstorganisierten Schülerbibelkreisen und es entstehen regelmäßig neue, obwohl manche Lehrer oder Mitschüler das eher verdächtig finden. Junge Leute, die das Risiko eingehen, die nicht von allen toll gefunden werden wollen, weil sie ihre Identität als Gottes Kinder bekommen, verdienen großen Respekt. Diese Generation hat noch viel Biss.

Ihr habt den Anspruch, im schulischen und akademischen Raum präsent zu sein. Wie gelingt euch das?

Rechtlich ist unsere Arbeit von der Religionsfreiheit gedeckt. In Deutschland gibt es an den Unis den Status von registrierten Hochschulgruppen. Damit kann man Räume umsonst bekommen oder auch Material verteilen. Das wird tatsächlich tendenziell schwieriger. Es gibt zunehmend Unis, die diesen Status religiösen Gruppen nicht geben oder Mission ausschließen.

Dahinter steht ein philosophisches Missverständnis. Viele denken, in religiösen Fragen wäre die säkulare Sicht die neutrale und die einer konkreten Religion wäre es nicht. Das stimmt natürlich nicht. Die säkulare Sicht ist in sich eine eigene Weltanschauung, die man haben darf. Wir plädieren dafür, alle Gruppierungen zuzulassen. Schluss muss nur sein, wo Hass eine Rolle spielt, wo es gegen Menschenwürde geht, wo es Gewalt gibt.

Wenn die Registrierung als Hochschulgruppe nicht gelingt, muss man nicht gleich die Christenverfolgung an die Wand malen. Manchmal sind es einfach Verwaltungsvorgänge. Gerüchteweise soll es schon mal Studis gegeben haben, die irgendeine Anmeldefrist nicht eingehalten haben.
Aber uns weht mehr Säkularisierungsluft ins Gesicht als noch vor 30, 40 Jahren.

Wie könnt ihr euch in wissenschaftsethischen und erkenntnistheoretischen Fragen als Christen heute noch einbringen und das Weltbild prägen?

Das ist der Anspruch, wir versuchen es, trotz unserer begrenzten Möglichkeiten. Dafür gibt es Fachgruppen, dafür gibt es das Institut für Glaube und Wissenschaft. Wir versuchen mit Veröffentlichungen, Podcasts, Tagungen und hier und da auch auf Debatten Einfluss zu nehmen, besonders im medizinethischen Bereich.

Was können wir von euch lernen?

Wir pflegen das Bibellesen. Es gibt praktisch keine Tagung ohne eine solide Bibelarbeit. Um auf Kurs zu bleiben, brauchen wir den Zugang zur Quelle. Wir tragen das biblisch-christliche Menschenbild nicht nur formelhaft vor uns her, sondern vertiefen uns in die Bibel und gehen von dort aus die Fragen an, zum Teil in konkreten Stellungnahmen. Es ist unser Anspruch, als Nachfolger Jesu ganzheitlich zu leben und das in allen Lebensbereichen.

Über welche Entwicklung innerhalb der SMD freust du dich und vor welchen Herausforderungen steht ihr gerade?

Nach der Coronadelle entsteht heute mehr als beendet werden muss. Das ist einfach schön zu sehen.
Eine praktische Herausforderung ist der Bau einer neuen Zentralstelle. Der Vertrag für die alte, die uns der Eigentümer jahrzehntelang für einen symbolischen Mietpreis überlassen hat, läuft nächstes Jahr aus. Bauherrin zu sein gehört nicht zur Kernvision, ist im Moment aber nötig. Das ist ein Kraftakt.

Jeder Generalsekretär bringt auch neue Ideen mit. Was ist deine Vision für die SMD?

Dass wir bei dem Kernthema Evangelisation bleiben. Mit einem Maximum an Leidenschaft, aber auch mit Fehlertoleranz, damit die Arbeit so bunt und so vielfältig bleibt. Ein Beispiel: Es gibt säkulare Anbieter mit Freizeiten für 40-50-Jährige, zehn Tage auf einem Weingut in der Toskana mit einem Philosophen Lebensfragen diskutieren. Das müssen wir auch machen, aber mit einem christlichen Philosophen. Mutig sein, Nischen entdecken, Angebote machen für Leute, die wieder neu suchen oder Lust haben, Fragen zu stellen. Zeigen, dass es Antworten gibt. Da geht noch was.

Vielen Dank für das Gespräch.

Volker Roggenkamp ist seit Sommer 2023 Generalsekretär der SMD. Vorher hat er über 20 Jahre als Gemeindepfarrer in Münster gearbeitet. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Marburg.

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