Gehts auch anders?

Mut zur Veränderung

Wir reagieren wie das Chamäleon, das sich an die Umgebung anpasst, um der Konfrontation zu entgehen. Aber eigentlich können wir von diesem Tier etwas ganz anderes lernen: Der Farbwechsel dient in erster Linie gar nicht der Tarnung, sondern der Kommunikation mit Artgenossen. Chamäleons setzen mit dem Farbwechsel sozusagen ein Zeichen. Sie senden eine Botschaft. Das ist unser Chamäleon-Aufruf: Setzt ein Zeichen durch Veränderung!

Editorial

Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang verändern.
Aber du kannst starten, wo du bist, und das Ende verändern. “
– C. S. Lewis

Liebe Freunde!

Never change a running system. Diesen Ratschlag habe ich schätzen gelernt, wann immer ich als spontaner Mensch zu schnell bewährte Wege verlassen habe und dann das unnötige Bahnen neuer Pfade kräftezehrend war. Und doch: Wer sich stets in denselben Kreisläufen bewegt, wird nichts Neues erfahren. Wenn immer alles beim Alten bleibt, wird das Leben versanden. Und die Lebensfreude sowieso.

Ich würde lieber sagen: „Run and change the system!“ Fliehe das, was dich festhält, was dein Leben schwer macht und dir im ewiggleichen Trott den Glauben raubt. Das ist gar nicht so einfach. Jeder weiß, wie es sich anfühlt, wenn man eingefahrene Gewohnheiten verändern will. Das ist schwer, weil wir Menschen energieeffiziente Gewohnheitstiere sind. Unser Gehirn ist darauf angelegt, dass es Rituale nutzt wie Autobahnen, um schneller voranzukommen. Je öfter man eine Tätigkeit ausübt, desto breiter wird die Autobahn. Und umso schwieriger wird es, diese Bahn zu verlassen und einen Seitenweg einzuschlagen: Lauter Leitplanken, lauter Stoppschilder, mit denen unser Gehirn uns sagen will: Achtung, gefährlich! Bleib lieber in der Spur!

Wir reagieren wie das Chamäleon, das sich an die Umgebung anpasst, um der Konfrontation zu entgehen. Aber eigentlich können wir von diesem Tier etwas ganz anderes lernen: Der Farbwechsel dient in erster Linie gar nicht der Tarnung, sondern der Kommunikation mit Artgenossen. Chamäleons setzen mit dem Farbwechsel sozusagen ein Zeichen. Sie senden eine Botschaft. Das ist unser Chamäleon-Aufruf: Setzt ein Zeichen durch Veränderung!

Veränderungen bleiben immer ein Kraftakt. Sind sie deshalb unnötig? Sollten wir sie lieber vermeiden?

Ich glaube, sie sind unvermeidlich. Wenn ich sie nicht willentlich herbeiführe, geschehen sie automatisch. Und zwar oft zum Schlechten. Das kenne ich vom Klavierspiel: Als Teenager gab es nichts Langweiligeres, als eine Stunde vor dem Klavier zu hocken und Kadenzen und Tonleitern zu üben. Die einzige Motivation dafür war die nahende Klavierstunde. Trotzdem ließ ich es schleifen, wo sich die Gelegenheit dazu ergab. Was geschah? Veränderung trat ein. Und zwar immer. Wenn ich übte, wurde ich besser. Übte ich nicht, wurde ich schlechter. Gleichstand gab es nicht.
Immer geschieht also Veränderung: entweder zum Besseren oder zum Schlechteren. Wenn wir Lewis ernstnehmen, dann kann man mit der Veränderung jederzeit beginnen. Es kommt auf die Blickrichtung an: Nicht auf die vielleicht dürftigen Anfänge schauen, nicht auf das, was gefehlt hat in meinem Leben – sondern auf das gewünschte Ende, auf das Ziel. Es beginnt mit mir. Es gibt den einen archimedischen Punkt, von dem aus ich eine Veränderung in meinem Umfeld – im „running system“ – herbeiführen kann: Dieser Punkt ist in mir selbst zu finden. Etwas spricht mich in der Tiefe an, das mich verändert. Ich erlebe etwas, hinter das ich nicht mehr zurück will.

In dieser Ausgabe kommen Menschen zu Wort, die diesen „point of no return“ erlebt haben. Ihre Zeugnisse ermutigen uns, selbst nach solchen Momenten im Leben zu forschen und uns zu erinnern: Stimmt, da habe ich etwas erlebt, das mein weiteres Leben zum Guten beeinflusst hat.

Eine große Überzeugung für die Kraft der Veränderung atmet die vor 20 Jahren gegründete ojcos-stiftung. Im Innenteil dieses Heftes berichten wir über die Anfänge, die Entwicklung und den Auftrag der Stiftung. Dieser Teil lässt sich übrigens als Broschüre aus dem Heft herauslösen und man kann sie auch als Sonderdruck zum Weitergeben an Interessierte bei uns bestellen.

Gerhard Knodt hat uns in seiner Predigt am TdO (S. 44) ermutigt, nicht zu gering vom Traditionsglauben zu denken. Der setzt unter Umständen den Rahmen für einen tiefen persönlichen Glauben. So wie beim Propheten Samuel, der als Knabe in den Glauben hineingewachsen war – ganz nach dem Wunsch seiner Mutter. Es gibt diese leisen Segensspuren, und es gibt die dramatischen Begegnungen mit dem Ewigen, die uns herausfordern und wachrütteln. Wie etwa Ralf Knauthe vom Stoffwechsel in Dresden (S. 36) oder die Brieffreunde von Melanie Ferger hinter schwedischen Gardinen (S. 18), die mehr als genug Zeit haben, sich eines Besseren zu besinnen. Es gibt auch die Situationen, in denen die heiß ersehnte Veränderung ausbleibt und man sich mit dem Unfertigen im Leben versöhnen muss, wie es Klaus Sperr immer wieder in der Seelsorge erlebt (S. 33). Und dann wiederum die atemberaubenden Kehrtwenden, wie die Taufe der Menschenrechtsaktivistin und bekennenden Atheistin Ayaan Hirsi Ali, die über dem Scherbenhaufen ihrer Selbstideale zu Christus gefunden hat (S. 10). Die öffentliche Debatte mit ihrem einstigen Mitstreiter Richard Dawkins, Autor von Der Gotteswahn, hat regelrecht den Erdkreis erregt.

All diesen Menschen ist gemeinsam, dass sie sich nicht dem „running system“ überlassen haben. Sie haben die heilsame Störung bejaht.

Das wünsche ich uns allen in diesem Sommer: dass wir starten, da wo wir sind und das Ende verändern. Denn mit mehr Mut gehts auch anders!


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