Wachsen und wachsen lassen
Josefin befragt Tabea und Mitsch Fliedner
Mitsch, 29 Jahre alt hat Medieninformatik studiert und als Webentwickler gearbeitet. Er hat vor zehn Jahren als FSJler zwei Jahre in der OJC-Gemeinschaft mitgelebt.
Tabea, 29 Jahre alt ist Religionspädagogin und hat drei Jahre lang in einer Gemeinde gearbeitet. Die beiden sind seit drei Jahren verheiratet und haben zuvor in Sersheim gelebt. Seit einem Jahr leben und arbeiten sie in der OJC-Gemeinschaft.
Josefin: Wie sieht euer Arbeitsgebiet hier in der OJC aus: Wo und wie bringt ihr euch ein?
Mitsch: Es ist mir wichtig, mein Wissen hier einzubringen. Zu meinen Hauptaufgaben zählen die Pflege und Betreuung der OJC-Webseiten, die Arbeit mit den sozialen Medien im Team der Medienwerkstatt und die Begleitung der Männer-WG des Jahresteams.
Tabea: Mein Hauptarbeitsgebiet ist das Gästehaus Tannenhof. Und seit kurzem füllen Gerlind und ich den sogenannten „Fokustag“ für das Jahresteam inhaltlich. Wir leben Beziehung mit den Freiwilligen. Außerdem bin ich noch im Gottesdienst-Team.
Mitsch, du hast nach deinem FSJ Kontakt gehalten. Wie kamt ihr dann dazu, Teil der OJC zu werden?
Mitsch: Ganz wichtig war dieses christuszentrierte Leben und Arbeiten. Ich war vorher in einem Homeoffice-Kontext, das hat seine Vorteile, aber mir fehlte was. Dem bin ich nachgegangen und habe gemerkt, dass Sinn gefehlt hat, das Gefühl, etwas in der Welt zu bewirken. Wir haben beide nach etwas Neuem gesucht und gemerkt: „Jetzt oder nie!“
Tabea: Wir haben uns wieder nach mehr Gemeinschaft gesehnt. Unser Freundeskreis ist einfach mittlerweile weit verstreut, das war uns zu wenig.
Ihr habt euch nach mehr Gemeinschaft gesehnt. Was sind denn für euch die Vorteile beim Leben in der OJC?
Mitsch: Wenn man Gemeinschaft sucht, dann findet man sie hier. Das beginnt mit der Hausgemeinschaft: gemeinsames Frühstück einmal pro Woche, wir sehen uns viel, wir reden viel miteinander, aber auch wieder gemeinsam im Büro zu sein.
Tabea: Ja, in ein Team eingebunden zu arbeiten finde ich sehr wertvoll. Wir unterstützen und ergänzen uns gegenseitig.
Gibt es auch Dinge, die euch am Leben in Gemeinschaft herausfordern?
Tabea: Das für mich Schöne fordert mich gleichzeitig auch heraus. Wenn Menschen sehr anders sind als ich: Wie findet man einen Kompromiss? Wie geht man miteinander um? Wie arbeitet und lebt man dann zusammen?
Mitsch: Und die Herausforderung ist auch, mal Rückzugsorte für sich zu schaffen. Man muss seine eigenen Grenzen finden. Das ist eine Aufgabe, der man sich hier tatsächlich stellen muss.
In welchen Bereichen möchtet ihr noch wachsen?
Tabea: Ich merke immer wieder, wie wichtig gute Kommunikation ist. Arbeit und Privates vermischen sich. Dinge anzusprechen und sie nicht nur auszuhalten, das muss ich noch mehr üben.
Mitsch: Bei mir ist es die Organisation, an der ich noch sehr wachsen kann. Ich habe nicht mehr einen Projektmanager, der mir sagt, dies und jenes muss noch gemacht werden, sondern ich muss selbst überlegen, was dran ist. Jetzt muss ich die Pläne erstellen – für mich und auch für die Freiwilligen.
Was habt ihr aus dem ersten Jahr im Hinblick auf das geistliche Zusammenleben mitgenommen?
Mitsch: Ich hatte ja schon in meinem Freiwilligendienst die sogenannte Liturgie des Alltags kennengelernt. Ich schätze hier sehr, dass Liturgie und Alltag nicht voneinander getrennt sind, sondern die Liturgie in den Alltag fließt. Wir dürfen uns jedes Mal im Mittagsgebet zusprechen: Jeder Tag ist ein Tag, den uns Gott geschenkt hat.
Tabea: Ja, ich finde es auch schön, dass das geistliche Leben so einen Platz im Alltag hat. Jeder für sich startet den Tag mit einer Stillen Zeit. Dadurch geht man schon anders in den Tag hinein. Das tut mir sehr gut.
Was gibt euch hier Halt?
Mitsch: Gerade gibt es immer wieder zusätzliche Veranstaltungen und man hangelt sich von Aufgabe zu Aufgabe. Aber selbst wenn alles immer anders ist, was immer gleich bleibt, ist die Alltagsliturgie. Das hilft auch an chaotischen Tagen.
Tabea: Ich würde am ehesten sagen: Gott. Neben all den Menschen, die so verschieden sind und eben manchmal keine Richtung oder Halt geben, ist das Dranbleiben an Gott und an der Beziehung das, was da ist und was bleibt und was dementsprechend irgendwie auch die Richtung vorgibt.
Wie geht ihr im Alltag eurer persönlichen Beziehung zu Gott nach?
Tabea: Bei mir passiert viel in der Stille morgens, bevor ich Terminen und To-Dos hinterherrenne. Da habe ich Zeit, um im Gespräch, im Gebet zu reflektieren, was am Tag vorher passiert ist. Vielleicht geht ein Gedanke aus einer Bibelstudie oder etwas aus dem Abendmahlsgottesdienst am Freitag mit mir mit. Immer wieder begegnet mir ein Gedanke oder ein Wort, das jetzt für mich da ist, das einfach passt.
Mitsch: Meine persönliche Beziehung zu Gott wächst in der Gemeinschaft. Bibelstudien würde ich ja alleine in dieser Form nie machen. Auch das Bibelteilen, sich gemeinsam mit einem Text auseinandersetzen, heißt ja, dass ich mich persönlich mit diesem Text befassen muss.
Was für ein Ort ist die OJC für euch?
Tabea: Das ist auch ein etwas chaotischer Haufen. Einfach durch die Vielseitigkeit der Personen und Aufgaben wird es ganz automatisch ein bisschen unübersichtlich. Aber ich sehe immer wieder die Dinge, die entstehen. Und das Miteinander, das aus der Vielseitigkeit entsteht, hat etwas sehr Positives.
Mitsch: Wenn ich mir die OJC als Ort vorstelle, sieht sie, wenn man von oben drauf guckt, wie eine Sternschnuppe aus. Der Schweif ist mit dem Festland verbunden. An jedem Sternzacken passiert etwas und auch wenn ich nicht alles mitbekomme, weiß ich immer, am Ende treffen wir uns alle in der Mitte. Der Schweif ist die Verbundenheit zum Ort. Wir geben uns da viel Mühe, auch mit dem Ort Reichelsheim verbunden zu sein.
Worauf freut ihr euch besonders in der kommenden Zeit?
Mitsch: Ich freue mich ganz arg auf die Arbeit mit den Freiwilligen. Mit ihnen im Austausch zu sein, Gedanken zu teilen, mal irgendeinen blöden Film zu gucken, was auch immer diese Begleitung mit sich bringt. Und auch den einen oder anderen Konflikt anzugehen.
Tabea: Ich freue mich darauf, die OJCler einfach noch mehr kennenzulernen, noch tiefere Beziehungen aufzubauen. Das braucht ja Zeit. Ich hoffe, dass das mit einzelnen gelingt, um noch mehr hier anzukommen. Und ich freue mich natürlich auch auf die Beziehungen zum Jahresteam und ihnen beim Wachsen zuzusehen.