Auf der Leitung. Wie mich meine Geschwister das leiten lehren.  Bild zum Artikel.

Auf der Leitung

Wie mich meine Geschwister das leiten lehren
  1. Jesus first – Richtung kommt aus der Stille (Transzendenz)
    Als ich vor über 22 Jahren in der OJC aufschlug, lernte ich: Die Stille vor Gott ist der Dreh- und Angelpunkt des Tages, meines Lebens und Wirkens. Ohne diese Stunde ist Hopfen und Malz verloren. Ohne Stille keine Nachfolge. Ohne Nachfolge keine OJC. In der Stille habe ich eine Vereinbarung mit Jesus getroffen: „Diese Zeit ist für dich! Alles Dienstliche soll möglichst außen vor bleiben. Arbeite an mir und in mir und hilf mir im Alltag, deine Stimme zu hören und zu tun, was der himmlische Vater segnet.“

  2. Jetzt passt’s – um eine gute Entscheidung ringen (Indifferenz)
    Was ich nicht brauchen kann, ist Angst vor Entscheidungen – denn in ihnen wird die Selbst-Offenbarung Gottes wirksam. Wenn mein Dienst einen Unterschied machen soll, muss ich lernen, geistlich zu unterscheiden. Ich will um die noch bessere Entscheidung ringen und vor Gott nach der Option suchen, die mich mit größtmöglichem Frieden erfüllt, einem Frieden, der dem Reich Gottes dient. Dazu braucht es, so lehrt mich die „Grammatik der Gemeinschaft“, die Kontemplation vor Gott, die Inspiration vom Heiligen Geist, die Konspiration mit den Gefährten und stets auch die Bereitschaft, Entscheidungen, die sich im Nachhinein als Fehler erweisen, als meine Lehrmeister für die Zukunft anzuerkennen.

  3. Weg von der Opferhaltung – wenn wir scheitern, dann an uns selbst
    Aus meiner OJC-Mannschaftszeit sind mir zwei Sätze hängengeblieben. Erstens: Wir scheitern nicht an den Umständen, sondern an uns selbst. Der provokante Satz von Ralph Pechmann saß und wurde zu einem Leitsatz meines Lebens. Er hilft mir, die Schuld nicht auf andere oder auf „das Schicksal“ zu schieben. Verantwortliches Leben heißt, mich zu fragen, was die Umstände jetzt verlangen und wie ich in reifer Weise darauf antworten möchte. Viktor Frankl hat es auf radikale Weise vorgelebt: Selbst in den ausweglosesten Situationen des Lebens hat der Mensch noch die Freiheit, seine Einstellung zu den Dingen zu verändern. Auch, wenn sich an den äußeren Umständen nichts ändert, verändert sich doch alles im Inneren.

  4. Kränkung – Wenn mich etwas kränkt, dann bin ich krank
    Nun folgt die zweite Sentenz von Ralph Pechmann: Kränken kann dich nur etwas, wenn noch etwas in dir krank ist! Auch dieser Satz hat mich auf mein Priordasein vorbereitet: Kommunitäten können einen Ort der gegenseitigen Ermutigung und einen Raum für charakterliches und geistliches Wachstum schaffen. Wir helfen einander, im Glauben zu wachsen.
    Gemeinschaft ist zugleich ein Ort des Schreckens, d. h. des Erschreckens darüber, was wirklich in mir ist. Wenn mich mal wieder einer kränkt, hilft mir obiger Satz. Der vermeintliche „Übeltäter“ ist nicht die Ursache, sondern nur der Auslöser. Das hilft, die seelischen Dinge besser auseinanderzuhalten. Die andere Seite zeigt mir ein Zitat von Miguel Ruiz: „Lerne, Dinge nicht persönlich zu nehmen. Nichts, was andere Menschen tun, ist wegen dir. Es ist ihretwegen.“

  5. Menschen kommen immer brutto
    Als Leiter hätte ich natürlich gerne Mitarbeiter mit dem Kompetenzspektrum einer eierlegenden Wollmilchsau, die man am liebsten auf den Kopierer legen würde. Anfangs hatte ich tatsächlich die augenfälligen Begabungen meiner Mitstreiter im Fokus, die Nettoseite eben. Der Mensch kommt aber immer brutto. Allerdings ist es genau dieses Brutto, durch das Gott in die Welt hineinwirken möchte, um sein Reich zu errichten. Er schenkt nicht die Mitarbeiter, die wir wollen, sondern die, die wir brauchen. In den letzten Dingen hilft mir das Gebet: „Du gibst uns die anderen und mutest sie uns zu. (Ja, ich weiß, dass ich oft genug auch eine Zumutung für sie bin ;-).) Wir lieben dich nicht ohne sie, und werden von dir nicht ohne sie geliebt. Lass uns einander zum Segen werden auf dem Weg zu dir.“

  6. Festlegung – Es kann auch ganz anders sein (Kontingenz)
    Eine der größten Gefahren im gemeinsamen Leben ist, die andere Person auf bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen festzulegen. Festlegen heißt, dem Gefährten nicht mehr unvoreingenommen zu begegnen, sondern ihn fein säuberlich in einer Schublade zu verstauen. Der Fachterminus „Kontingenz“ aus meinem Soziologiestudium weitet meine Perspektive. Er bedeutet, dass es auch ganz anders sein kann. Im Blick auf die Gefährten heißt das, sie auch mal von einer ganz anderen Seite zu entdecken. Gott kann uns lehren, einander neu zu sehen.

  7. Klarer Tisch, klarer Kopf (Komplexitätsreduktion)
    Bin ich unklar, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn meine Gefährten Unklares tun. Fehler der Mitarbeiter sind oft Fehler der Leitung. Wenn ich etwas selbst nicht durchschaue, werden die mir Anvertrauten es erst recht nicht verstehen. Ihre manchmal unverständigen Blicke haben mich gelehrt: Was ich nicht auf einer DIN A4 Seite schematisch veranschaulichen kann, kann ich in einem ganzen Roman nicht erklären. In Zeiten hoher Anforderung und Komplexität hilft mir am Abend ein leerer Tisch. Nichts als ein Kreuz. Dann habe ich am Morgen zumindest das Gefühl, es ist nichts Dringendes zu tun und ich kann mich meinen Aufgaben nacheinander und konzentriert widmen.

  8. Reden ohne Unterlass – Kommunikation, das beste Schmiermittel (Transparenz)
    In einer so großen Gemeinschaft braucht es gute Strukturen, Regeln und Absprachen, die wie optimal aufeinander abgestimmte Zahnräder ineinandergreifen. Damit es richtig rund läuft, braucht es im Räderwerk das Schmiermittel der Kommunikation. Bei aller Organisations- und Strukturverliebtheit unserer Kultur kommen wir um die einfache Formel nicht herum: Miteinander reden, reden, reden – das gehört zur transparenten Lebenskultur. Ohne ausreichende Kommunikation knirscht es.

  9. Abspann(en) – für meine Erholung bin ich selbst zuständig (Rekreation)
    Immer mal gehe ich in meine Garage, schmeiße den Gasbrenner an, setze den Brautopf drauf und füge das geschrotete Malz dem Wasser zu. Rekreation, das Ausspannen, gehört zu unserem „Kreuz der Wirklichkeit“ (S. 42) und ist fester Bestandteil eines „runden“ Lebens.
    Allerdings ermahnte mich mein geistlicher Begleiter: Konstantin, Bierbrauen heißt doch nicht zur Ruhe kommen. Das ist ein Wechsel von einer Tätigkeit zu nächsten! Er hat wohl Recht. Umso mehr genieße ich am Abend ein Selbstgebrautes. Nicht nur, weil Hopfen angeblich beruhigend auf die Nerven wirkt, sondern weil dankbares Genießen Gott ehrt.

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