Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch
“Willst du eine Seelsorge-Fortbildung in den USA machen?!“
Ich lebte schon ein paar Jahre als pädagogische Mitarbeiterin in der OJC in Bensheim. Zusammen mit Hermann und Friederike Klenk war ich für die Begleitung der Jahresmannschaft verantwortlich. Da hatte mich diese Frage doch eher überrascht. Seelsorger – sind das nicht eher ältere, erfahrene Menschen? Ich war gerade 30 Jahre alt geworden und litt noch an den Folgen eines schweren Unfalls.
Doch, ja, warum eigentlich nicht?
Das kleine Seelsorgezentrum bei Philadelphia (Pennsylvania) richtete für unsere Gruppe aus Deutschland und einem indischen Ehepaar einen Sonderkurs von zehn vollen Wochen ein. Ein Crashkurs, der für amerikanische Teilnehmer schon mal zwei Jahre dauerte. Nachdem wir im deutschsprachigen Raum festzustecken schienen in endlosen Diskussionen, ob Seelsorge nun Glaubenshilfe oder Lebenshilfe oder „Psychotherapie im kirchlichen Kontext“ sei, konnten ein paar neue Aspekte von außen nur erfrischend und belebend wirken und meine Arbeit mit jungen Erwachsenen vertiefen.
Und darin hat uns dieser Kurs in der Christian Counseling and Educational Foundation nicht enttäuscht. Mich haben diese drei Monate ermutigt, nicht bei meinen eigenen „Weisheiten“ stehen zu bleiben, sondern in der Heiligen Schrift Antworten zu suchen und zu finden, dabei auch in immer wieder neuen Situationen der faszinierenden und liebenswerten Person Jesu zu begegnen und dem Geist Gottes zu vertrauen.
Es ist tausendfach gesagt und geschrieben: den Begriff Seelsorge gibt es so weder im Alten noch im Neuen Testament. Professor Christian Müller schreibt in der Einleitung zu seinen vier Bänden „Geschichte der Seelsorge“: Seelsorge ist „Atemhilfe, Hilfe zum Klagen und Loben vor Gott, Hilfe dazu, dass der Mensch in den Atemrhythmus Gottes wieder hineinkommt“. Der Heilige Geist, „der Paraklet ist der eigentliche und wahre Seelsorger für das neue Leben, das in Jesus zur Erscheinung gekommen ist und sich mit seinem Namen und seiner Person ein für alle Mal verbündet hat“. Vom Paraklet her umfasst biblische Seelsorge das weite Feld des Tröstens, Mahnens, Ermutigens, der Unterweisung und der Einladung, sich an den Erlöser zu wenden und wieder mit ihm verbündet zu leben. In täglicher Gemeinschaft an seiner Seite zu leben und Zwiesprache zu halten mit dem Gott, den Jesus Abba nennt, das ist der Zielhorizont unserer Seelsorge. Sie dient dazu, dass wir Christen in eine tiefere, festere Verbundenheit mit Gott – und auch mit unseren Mitmenschen – wachsen und aus dieser „communio(n)“ heraus leben und handeln. Diese Verbundenheit mit Christus erweitert zugleich unsere menschliche Freiheit.
Geschichte der Biblischen Seelsorge in der OJC
Von Anfang an war die OJC auch eine Seelsorgebewegung. Schnell stellte sich heraus, dass viele der jungen Erwachsenen auch der Heilung, Reifung und der geistlich-pädagogischen Weiterbegleitung nach der Beichte bedurften. Weder die Studentenkonferenzen noch das gemeinsame Leben damals wären ohne Seelsorge, Beichte und geistliche Begleitung denkbar gewesen: Orientierung des Lebens an den Geboten Gottes und immer wieder die konsequente Umkehr waren und sind für uns die Voraussetzung für das Leben in Gemeinschaft und das Weiterwachsen der Einzelnen.
Unser Seelsorgeauftrag im Rahmen des OJC-Auftrages
Unser Seelsorgeauftrag ist eingebettet in den Auftrag der Offensive Junger Christen, Menschen in Jesus Christus Heimat, Freundschaft und Richtung zu geben und so die Lebensgrundlagen für die nächste Generation zu erneuern. Bei der Begleitung Einzelner geht es darum, dass
– die seelischen Verwundungen heilen,
– die Herzensbildung gefördert wird,
– die Würde und Wirksamkeit der eigenen Berufung sich entfaltet.
Seelsorge vor dem Hintergrund des OJC-Auftrages führt also zum Fortschreiten
– in der Heilung der Beziehungen,
– im Reifen der Persönlichkeit,
– im Wachsen der Liebesfähigkeit zu Gott und den Menschen.
Der Eröffnung des Seminars für Biblische Seelsorgeausbildung auf Schloss Reichenberg 1979 folgten Grund- und Aufbaukurse, die die Teilnehmenden in die Grundthemen geistlicher Begleitung und die verschiedenen Alltagsfelder der Seelsorge einführten. Seit Mitte der 90er Jahr konnten wir diese Kurse auch im Haus der Stille der Pommerschen Evangelischen Kirche in Weitenhagen/Greifswald anbieten. Hier werden die Grundformen christlicher Lebens-und Glaubenshilfe gelehrt und im Zusammenleben als Seminargemeinschaft den einzelnen zugänglich gemacht.
Seit 1977 begleitet die Zeitschrift Brennpunkt Seelsorge unsere Seminararbeit sowie die breite Praxis der Einzelbegleitung.
Während der fünfzig Jahre unserer OJC Lebens- und Dienst-Gemeinschaft ist erfreulicherweise eine neue Generation von Leitern und Seelsorgern herangewachsen. Noch immer ist die OJC auch eine Seelsorge-Bewegung. Die Ermutigung zum Leben in der Nachfolge Jesu bleibt unser Herzschlag. Dazu dienen auch die reich gefüllten Schatzkammern der Kirchen vor Ort und weltweit.