Teambildung als Balance-Akt. Im Erfahrungsfeld auf Schloss Reichenberg. Bild vom Erfahrungsfeld auf der Wippe.

Teambildung als Balance-Akt

Im Erfahrungsfeld auf Schloss Reichenberg

Eine sachte Bewegung, mehr eine Gewichtsverlagerung, schon neigt sich das Boot nach links. Die Insassen, etwa zwanzig Männer und Frauen, haben bereits Erfahrung gesammelt, bleiben ruhig, einige legen sich vorsichtig in die andere Richtung und stellen die Balance wieder her.

In einem Boot

Das „Boot“ aus Holz liegt nicht auf dem Wasser, sondern steht als Teamwippe auf einer Wiese im Erfahrungsfeld Schloss Reichenberg. An dieser Station kann man nicht nur spüren, sondern auch hören, was sich in den Teams abspielt. Deshalb notieren wir Mitarbeiter aufschlussreiche Bemerkungen der „crew“, um sie im Anschluss den Teilnehmern noch einmal vorzulesen. „Von hier oben sieht man nicht, wie’s kippt“, hatte einer gesagt. Jemand anderes: „Langsam! Wenn alle auf einmal reagieren, wird’s nur schlimmer!“ – „Gut, dass ich mich leicht gemacht habe!“ Beim Zuhören wird spontan gelacht, geraunt, die Stirn gerunzelt. Es klingelt auch in den Ohren, denn bei der Bewältigung dieser Aufgabe war man überraschend mit Themen konfrontiert, die in den Teamalltag hineinreichen. Wenn auf der Teamwippe zum Beispiel viele gleichzeitig und unkoordiniert versuchen, das Boot in die Waagrechte zu bringen, passiert eher das Gegenteil. Man muss sich schon verständigen – und das geht auch ohne Worte, jedenfalls wenn man sich im Blick behält. Wo aber alle durcheinanderreden, Vorschläge gar nicht gehört werden oder es zu keiner Einigung kommt, wo jemand sein eigenes Ding macht oder das Boot verlässt – da spüren auf der Teamwippe alle körperlich, dass es kippt.

Wie hier geht es auch an den anderen Stationen im Erfahrungsfeld darum, ein Gespür dafür zu bekommen, wie Mitinander gelingen kann. Es ist ein Spiel- und Übungsraum: Es darf ausprobiert, misslingen, neu versucht werden. Man kann sich herantasten, es selber herausfinden und dann Worte dafür finden, die in Situationen des normalen Lebens hineinsprechen und sie verändern. Das gilt nicht nur für die Besucher, sondern genauso – oder besser, zuallererst – für die Bewohner der OJC-Gemeinschaft auf Schloss Reichenberg, vier Familien, sieben Kinder, sechs junge Freiwillige. Wir wissen uns von Gott berufen, das Experiment des gemeinsamen Lebens und Arbeitens zu wagen. Er selbst bietet uns das an, was uns so leicht abhandenkommt: Annahme und Achtung, Vergebung und Neuanfang, Freude und Leichtigkeit, Sinn und Ziel. Wir leben unser eigenes Erfahrungsfeld als Schlossgemeinschaft – und teilen es mit den Besuchern.

Auf dem Seil

Drei Seile liegen im Gras. Männer und Frauen, die ihren Betriebsausflug hier verbringen, rätseln, wie sie die gestellte Aufgabe lösen. Eine Brücke soll entstehen, auf Bauchhöhe, stark genug, dass einige von ihnen darüber können. Während die einen mit der Theorie zu Gange sind, probiert ein anderer praktisch herum. Eine junge Frau macht einfach mit, eine andere meldet Bedenken an. Jemand erinnert an das gesteckte Ziel: „Vergesst nicht, es soll eine Brücke werden!“ Ein Mann rudert mit den Armen und macht einen Witz. Die Gesichter hellen sich auf. Da sind sie: Die verschiedenen Rollen im Team – unverzichtbar und herausfordernd. Das Ineinandergreifen der unterschiedlich ausgeprägten Persönlichkeiten ist ein entscheidender Faktor, wenn Aufgaben gemeinsam bewältigt werden wollen. Schon ärgern sich die Denker über die Macher: „Lasst uns erst einen Plan machen und koordinieren!“ Die kritischen Geister verschränken die Arme und tappen in ihre eigene Falle: Sie sehen nichts als Schwachstellen. Wäre da nicht eine Frau, die die Gemüter beruhigt und die verschiedenen Ideen geschickt koordiniert, würde die Brücke nie entstehen. Alle legen sich schließlich mit ganzer Kraft in die Seile, die sich jetzt wie ein Netz ausspannen, und einige Freiwillige tasten sich vorsichtig darüber. Applaus, Begeisterung, Freude macht sich breit. In der anschließenden Reflexionsrunde wird sichtbar, was die Teilnehmer beschäftigt hatte: „Ich hatte so eine gute Idee, habe sie aber für mich behalten. Schade eigentlich!“ – „Anfangs dachte ich, dass die Brücke nicht hält, aber wir haben uns alle zusammengerissen.“ – „Ich dachte, ich bin zu schwer für die anderen, aber dann konnten sie mich doch aushalten.“ „Wenn man die anderen tragen möchte, tun einem schon mal die Finger weh!“ So entsteht ein Gesprächsraum, in dem man sich vorsichtig zeigen kann – und Vertrauen wächst, ein entscheidendes Bindemittel für gute Zusammenarbeit. Die Mitarbeiter des Erfahrungsfeldes hören sorgfältig zu, fragen nach – und stellen im Anschluss manchmal eine Erfahrung aus dem eigenen Team oder aus dem gemeinsamen Leben dazu. Nicht als Honorarkräfte, sondern als Mitbetroffene, die Auskunft geben über eigene Lernprozesse und zum Dialog einladen.

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