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Queraussteiger

Wie das Leben so tickt

2007 sprachen zwei Männer am Anfang ihres Weges als geistliche „Zweierschaft“ ein einfaches aber gefährliches Gebet: „Mach uns zu Männern, wie Du, Gott, es gewollt hast!“
Wie ernst Gott uns nehmen würde, konnten wir, Tobias und Karsten, uns damals noch nicht vorstellen. Einige Jahre trafen wir uns mehrmals in der Woche, mal zum Gebet, zu Sport und Krafttraining oder gemeinsam mit unseren Ehefrauen zu Lobpreiszeiten. Unser Leben war randvoll mit Familie und Beruf. Dr. Tobias Mock arbeitete als zweifacher Facharzt an einer Klinik, erfolgreich und immer schön am Rand seiner Kraft. Durch Nachtschichten und Dauerstress fühlte sich sein Leben zunehmend wie ein Hamsterrad an. Dann aber hängte er den Beruf an den Nagel, um seinem Herzen zu folgen.

Ich war als hauptamtlicher Regionalsekretär im CVJM verantwortlich für über 400 Mitarbeitende und viel unterwegs. Auf einen Schlag begann das wirkliche Abenteuer, als Gott mir eine 14-monatige Auszeit verordnete! Was wie ein Urlaub begann, wurde herausfordernd hoch drei. Ich verließ meinen Ursprungsberuf und ging in die Arbeitslosigkeit.

Unser Wagnis: Gott zum Zug kommen lassen

Waren wir pathetisch? Verrückt? Verantwortungslos? Das mochte für Außenstehende so aussehen – nicht aber für uns! Wir hörten Gottes Reden so klar, so eindeutig, dass wir wussten: Er bereitete etwas Neues, Großes vor. Nur wussten wir nicht, wohin die Reise geht. Wie gut, dass unsere Frauen uns zur Seite standen: Tobias’ Frau Barbara liebt das Abenteuer mit Gott. Meine Frau Katrin hatte zwei Jahre in der OJC gelebt und trug den Wunsch nach Gemeinschaft in sich. Phasenweise konnten sie nur zuschauen, dann wieder steckten sie mittendrin und sahen fasziniert, was Gott tat. Oft werden wir gefragt: „Wieso habt ihr das gemacht? Aus euren Berufen heraus, ohne zu wissen, ob ihr scheitern werdet! Ihr habt doch Familie …“ Ja, ist so, aber wir riskierten es, und es fühlte sich richtig und lebendig an! Wenn man alles überschauen kann, ist es kein Risiko mehr! Wir bewegten uns wie Seiltänzer ohne Netz und doppelten Boden und folgten einer in uns aufkeimenden Berufung.
Vier Wünsche trugen wir ins uns:
1. Leben in Gemeinschaft. Was das heißt, haben wir nur ungefähr geahnt und wir lernen bis heute.
2. Seminare anbieten, Menschen in die Nähe Gottes bringen durch Musik, Lobpreis, Gebet, kreatives Tun, aber auch durch Beratung und Seelsorge, Supervision u. a. Wir wünschen uns, dass sie innere Heilung und Veränderung erleben.
3. Männer und Frauen begleiten und herausfordern im Hinblick auf Wachstum in ihrer Identität.
4. Abenteuer und Natur erleben (Trekking, Kanu, u. a.) und neue Räume für ganzheitliches Erleben öffnen.

Unser Auftrag: Zum authentischen Leben verhelfen

Kurz: Wir wollen Männern und Frauen helfen, ihre Identität vor Gott zu erkennen, darin zu wachsen und leben zu lernen! Das ist der Auftrag von LIVE e. V. Übrigens: nicht „Life“, englisch für „Leben“, sondern – „LIVE“, wie die Live-Sendung, wie das Leben so tickt, live halt. Wir sind im westfälischen Bünde ansässig. Für uns Männer war schneller klar, wohin die Reise geht. Unsere Frauen brauchten etwas länger und eine eigene Bestätigung. Sie bekamen sie bei dem Aufenthalt in einem Gebetshaus, in dem Menschen ihnen ihre geistlichen Eindrücke mitteilten: Noch im selben Jahr würden sie eine Lebensgemeinschaft gründen und es würde in der zukünftigen Arbeit um die Identität von Männern und Frauen gehen. Am 18. 9.2011 haben wir LIVE e. V. gegründet. Alles war so neu – sich finden, Satzung entwickeln, Homepage aufbauen und entwickeln, die ersten Gäste. Wir hatten Fragen über Fragen: Wann arbeiten wir zusammen in Garten? Wer macht am Montag das Frühstück, oder ganz elementar: Wie wird Gott uns materiell versorgen? Wegweisend waren dabei die OJC und die hilfreichen, ermutigenden, aber auch pragmatischen Hinweise unserer Begleiter. Michael Wolf und Klaus Sperr stellten besonders in der Anfangsphase kritische, aber hilfreiche Fragen: Wie wollt ihr das finanzieren? Mit welchen maximal drei Schwerpunkten fangt ihr an? Vieles aus ihrer OJC-Erfahrung half uns, Klippen zu umschiffen und Anfängerfehler zu vermeiden.

Unsere Herausforderung: den Auftrag gemeinsam tragen

Nach dem mutigen Start schlugen wir doch hart in der Realität des spannungsreichen Miteinanders auf. So viele unausgesprochene Erwartungen prallten aufeinander, und ständig gab es Konflikte zu lösen. Immer wieder diese (nervenden) Entscheidungen: Mit wem ist was anzusprechen? Und vor allem, wie? Wir hatten durch seelsorgerliche und therapeutische Ausbildungen viel Wissen – aber wenn es um den eigenen Schatten geht, nützt einem das nur bedingt.

Ich hatte aus meiner Lebensgeschichte ein ordentliches Paket traumatisches Material mitgebracht. Vieles davon war bearbeitet, doch werden im Miteinander zielsicher die Knöpfe gedrückt und die wunden Stellen des Lebens neu aktiviert. Elementare Fragen in mir tauchten auf: Gehöre ich wirklich dazu? Was ist mein Platz innerhalb der Gemeinschaft? Bindung fällt mir, bedingt durch meine Geschichte, nicht leicht, deshalb musste ich mich immer wieder damit auseinandersetzen, wie viel Nähe ich zulasse und wie viel Schutzraum ich brauche. Und vor allem: Bin ich HIER sicher? Gegen die tiefe Unsicherheit kommt auch die tausendfache Versicherung der Anderen – du bist hier sicher und angenommen – nicht an. Einfach, weil der kleine Junge in mir ein dickes Minus mit sich herumträgt, ein Fass ohne Boden, das aus menschlicher Sicht nicht zu füllen ist! Es war demütigend, mich als bedürftig und schwach zu erleben – gerade als Mann. Meine Gefährten, auch meine Frau, mussten mich mit Samthandschuhen anfassen – ich war wie ein aktives Minenfeld. Die anderen beteten viel für mich, aber meine Angst, irgendwann hätten alle genug von mir, war bodenlos. Erst als ich noch einmal meine Lebenswunden anging, kehrte Ruhe ein, und ich konnte aufhören, der Gemeinschaft zu viel abzuverlangen und sie damit zu überfordern. Inzwischen ist Ruhe eingekehrt - ich kann die Anderen und ihre Belange sehen. Das ist das Gute, wenn Veränderung und innere Heilung einkehrt :-).

Unsere Hoffnung: Gott trägt uns durch

Auch Tobias bringt natürlich seine Themen, seiner Herkunftsgeschichte mit: „Wir sind noch nicht fertig, aber so wie wir in Beziehungen verletzt werden, geschieht auch in Beziehungen Heilung! Es war sehr anstrengend und herausfordernd, und wir merken, die inneren Prozesse und Auseinandersetzungen stellen die größte Herausforderung dar. Barmherzigkeit, Klarheit, Grenzen – all das ist im Miteinander wichtig. Es gehört dazu, darin einzuwilligen!“ Wenn wir heute auf unseren Weg zurückschauen, erkennen wir dankbar, wo Gott uns durchgetragen hat. Es ist bereits so viel entstanden: Eine Lebensgemeinschaft mit fünf Erwachsenen und sechs Kindern – klein aber fein, ein Mitarbeiterteam von fast 30 Personen und viele Angebote. Es bleibt ein Wagnis, aber wir erfahren viel Ermutigung durch Verbundenheit und Vernetzung wie z. B. mit der OJC. Wir brauchen einander und wachsen und reifen aneinander. Es ist spannend mit unserem himmlischen Vater – ein wirkliches Leben in Fülle, Abenteuer und Freiheit. Petrus sagte: Herr, auf dein Wort hin will ich es wagen! In dem Sinne.

LIVE e. V. ist ein Beratungszentrum mit dem Schwerpunkt Männer- und Frauen-Identität mit einem Team von Beratern, Therapeuten, Coaches, Supervisoren und vielen ehrenamtlichen Mitarbeitenden. LIVE e. V. ist ein Spendenwerk, alle Mitlebenden der Lebensgemeinschaft sind hauptberuflich (auf Taschengeldbasis) bei LIVE. Die Gemeinschaft ist vernetzt mit anderen Werken und Kirchen (z. B. der Gebetshausinitiative), bietet neben Seminaren und Seelsorge auch Abenteuertouren für Männer und Frauen, Arbeit mit Ehepaaren, Beratung, Supervision, Coaching an. Schwerpunkt ist die Arbeit mit Traumata und Identitätsfragen. Ein Spezialangebot von LIVE ist „DIE Männerreise – Abenteuer Identität“, in deren Rahmen sich bis zu 40 Männer über 16 Monate wöchentlich treffen; sie wird mittlerweile an verschiedenen Orten in Deutschland angeboten.

Mehr unter: www.live-gemeinschaft.de; www.die-männerreise.de

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