
Zwei auf einem Weg
John Nörenberg (20, FSJ 2016/17) und Günter Gallinat (75, Hausmeister im REZ und im Tannenhof) haben ein Jahr lang einen Tag in der Woche miteinander gearbeitet. Aus ihrem Zwiegespräch geht hervor, wie sich ihre anfänglichen Vorbehalte gewandelt haben.
Günter: Wir konnten uns von Anfang an gut über den Glauben austauschen, der ist uns beiden wichtig. Du kennst dich so gut in der Bibel aus, dass ich mich oft gewundert habe, woher du das bloß hast. Das zu sehen, ist mir eine große Freude. Der Vers, der mir zugesprochen wurde, als ich zum lebendigen Glauben kam, hieß: Die Freude am Herrn ist meine Stärke (Neh 8,10). Diese Freude war nicht immer himmelhochjauchzend, aber in den letzten Jahren wird mir zunehmend bewusst, was Jesus uns für den Alltag mitgibt. Aus dieser Kraft, die er mir schenkt, schöpfe ich.
John: Und das merkt man dir an. Mir fällt auf, wie dynamisch du noch im Alter bist. Ich habe an vielen Tage echt Mühe, mich für die Arbeit zu motivieren, und kämpfe darum, Freude am Leben zu haben. Oder Gedanken an die Zukunft lasten mir schwer auf der Seele. Aber du schaffst es, Dinge positiv zu sehen, und lässt mich teilhaben an deiner Freude. Es ist einfach schön, wie du Dinge anpackst und dich mit ihnen auseinandersetzt, wie du deinen Glauben lebst und darüber sprichst. Obwohl zwischen uns so viele Jahre liegen, können wir auf einer Ebene miteinander reden. Deine Glaubensbeziehung finde ich echt und überzeugend.
Günter: Ich habe gelernt, jeden so zu nehmen, wie er ist, denn jeder Mensch ist ein Original. Diese Haltung hat mir mein Leben lang geholfen. Aber ab und zu wundere ich mich auch über euch Junge. Ganz ehrlich, manchmal habe ich gedacht, der John ist mir zu langsam. Doch du bist gründlich, das ist entscheidend.
John: Du gehst die Dinge selbstbewusster an, arbeitest wesentlich zielorientierter, weil du weißt, was zu tun ist, und den nächsten Schritt planen kannst. Ich mache viele Dinge so gründlich und langsam, weil ich Angst habe vor dem, was danach kommt, da warte ich lieber erst ab. Ich bin froh, dass ich gelernt habe, selbstständiger zu arbeiten, denn Verantwortung zu übernehmen und eigene Pläne zu machen ist wesentlich erfüllender.
Günter: Aus meinem Arbeitsleben bin ich das gewohnt: ich bring, ich mach, es muss jetzt. In der OJC habe ich gelernt, nicht immer so angespannt zu sein. Heute lasse ich mir auch die Pause nicht mehr nehmen. Da haben wir Zeit, ein bisschen auszutauschen und voneinander zu hören. Das finde ich schön.
John: Du hattest dein Berufsleben schon fast hinter dir, als ich auf die Welt kam. Ich bin 1997 geboren, in Zwenkau, aber wir sind bald nach Leipzig gezogen. Wie anders die Nach-DDR-Gesellschaft ist, in der ich aufgewachsen bin, wurde mir erst klar, als ich hier in den Westen gekommen bin. Da ist natürlich der Dialekt, aber viel mehr wiegen die Unterschiede in der Mentalität der Menschen. Wenn ich meinen Opa in Lübbenau besuche, einer Kleinstadt, die noch sehr DDR-geprägt ist und in der der Altersdurchschnitt hoch ist, nehme ich so etwas Graues und Bedrückendes wahr. Der Westen scheint mir herzlicher und freundlicher. Meine Familie ist christlich, aber in Schule und Kindergarten kam der Glaube kaum vor. Christliche Freunde hatte ich nur in der Gemeinde. Zu meinen Schulfreunden war die Beziehung ganz anders. Mit 15 wusste ich, anders als die meisten meiner Schulkameraden, nicht, was ich werden wollte. Eine Zeitlang interessierte mich Architektur, dann Jura. Als ich mit 16 zum Glauben kam, dachte ich ziemlich schnell, dass das Studium der Theologie das Wichtigste sei. Inzwischen ist meine Motivation umfassender geworden. Ich will mir nicht nur Wissen aneignen, sondern im Glauben wachsen und was in der Welt bewirken.
Günter: Solche Gedanken hatte ich mir nicht gemacht. Ich bin kurz nach Kriegsende als Fünfjähriger mit meinen Eltern in den Odenwald gekommen, auf einen Bauernhof. Ich konnte nur acht Jahre die Volksschule besuchen. Meine Welt war viel kleiner und ich wollte im Dorf bleiben. Ich machte zuerst eine Ausbildung als Wagner, und auf Umwegen kam ich zu meinem zweiten Beruf als Maschinist. Dieser Beruf hat mir viel Freude gegeben. Gott lässt uns manche Wege gehen, wenn wir ihm nur vertrauen.
John: Du hast ein ganz grundsätzliches Vertrauen, dass du schon das Richtige tun wirst. Vielleicht gibt dir das die Energie, die ich an dir so bewundere. Wie du auch außerhalb deiner Arbeitszeit etwas schaffst, z. B. in deinem Garten und in deinem Haus. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, will ich mich nur zurückziehen und die Zeit vergeuden. Ich würde gerne lernen, schöpferisch tätig zu sein und meine Zeit mit Gutem zu füllen.
Günter: Heute habe ich im Philipperbrief gelesen, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden (Phil 1,6). Schrittweise halt. Also geh, der Herr wird dich führen. Es werden auch schwierige Zeiten kommen. Ich wünsche dir, dass du am Wort bleibst, dann führt der Herr dich da durch. Selbst wenn du wirklich mal verkehrt liegst: Der Herr sieht, dass du darum ringst, und er kann auch diesen Weg segnen. Vertraue ihm und du wirst ein erfülltes Leben haben.