Und dennoch ein erfülltes Leben. Kinderlos, ein persönlicher Bericht. Bild von Monika und Michael Wolf.

Und dennoch ein erfülltes Leben

Kinderlos, ein persönlicher Bericht

Wir wollten immer gern Kinder haben. Als wir mehr als zwei Jahre verheiratet waren und ich immer noch nicht schwanger war, sind wir zum Arzt gegangen. Bei den Untersuchungen wurde festgestellt, dass es für uns – aus medizinischer Sicht – auf ein Leben ohne Kinder hinauslaufen würde. Es war eine eindeutige Diagnose ohne weitere natürliche Behandlungsmöglichkeiten, wie uns der Arzt sehr behutsam mitteilte. Damit mussten wir uns nun abfinden. Ich konnte dieses Untersuchungsergebnis zunächst als Tatsache annehmen. Geistlich dachte ich: „Gut, dann hat Gott mit uns etwas anderes vor.“ Bei der OJC zu leben war ohnehin anregend. Die ersten Jahre waren so spannend, dass wir den Schmerz und den großen Verlust, keine Kinder haben zu können, nicht so sehr gespürt haben. Wir konnten sogar die Vorzüge der Kinderlosigkeit erleben. Dennoch haben wir immer wieder – leise – gehofft, dass Gott ein Wunder tut.

Sehnlicher Kinderwunsch

Wir haben unsere Kinderlosigkeit immer als unsere gemeinsame Sache betrachtet. Zunächst geht man ja davon aus, dass jeder Kinder bekommen kann. Und wer nun direkt oder indirekt von Kinderlosigkeit betroffen ist, kommt sich zunächst minderwertig vor.

Als wir unsere Eltern, Geschwister und Freunde informierten, waren die Reaktionen sehr unterschiedlich. Viele haben uns zugehört, haben Anteil genommen an unserem Erleben und Verständnis gezeigt. Das hat gut getan. Manche haben aber auch ungeschickt reagiert, waren vielleicht aus Betroffenheit oder Hilflosigkeit unsensibel. Da kamen Aussagen wie: „Das kann doch nicht sein. Medizinisch ist heutzutage alles möglich.“ Oder im anderen Extrem: „Seid doch froh, dann könnt ihr euer Leben genießen.“ Eine Seelsorgerin hat mich entlastet, als sie sagte: „Gott hat zuallererst zu euch beiden als Mann und Frau sein Ja gesagt. Ob ihr Kinder haben werdet, das liegt nicht in euren Händen.“

Alltägliche Gemeinschaft

Wir leben gern und mit Überzeugung in der OJC-Gemeinschaft. Wir hatten diesen Weg schon gewählt, bevor wir von unserer Kinderlosigkeit wussten. Zur OJC gehören auch junge Familien, und in den Jahren unseres Mitlebens sind viele Kinder zur Welt gekommen. Es tat manchmal weh, die jungen Mütter zu sehen. Wenn ich ein Baby im Arm hielt, kam der Gedanke, wie schön es wäre, ein eigenes zu haben. Das schwang immer wieder mit. Wie wohl hat es mir da getan, wenn eine der Mütter mir ihr Baby in den Arm gedrückt hat und ich merkte, sie vertrauen mir ihr Kind an, sie beziehen mich ganz natürlich mit ein.
In der Gemeinschaft haben wir sehr viel Kontakt mit Kindern und werden, weil wir gut mit ihnen umgehen können, auch hin und wieder als „Vize-Eltern“ angefragt. Auch das hat mich immer wieder mit dem Schmerz konfrontiert, ich musste ihn anschauen und erleiden, habe aber auch erlebt, dass es schön ist, wenn Kinder mit uns Spaß haben und uns nicht langweilig finden.

Unsere Einbindung in die OJC-Großfamilie bot vielfältige Möglichkeiten, in das Leben junger Menschen zu investieren und wurde uns zu einer erfüllenden Berufung mit Entfaltungsmöglichkeiten. Wenn mich jemand nach Kindern gefragt hat und nicht sicher war, ob er in ein Fettnäpfchen getreten ist, habe ich oft gelacht und gesagt: „Die einen fangen halt bei den Kleinen an, wir fangen immer wieder neu mit den Großen an.“

Bewusster Abschied

Wir hatten viel in die Großfamilie investiert und Kräfte gelassen – ich war müde und erschöpft. Nach gut zehn Jahren konnten wir ein Sabbatjahr einlegen. In diesem Jahr war es uns wichtig, dieses Thema noch einmal miteinander anzuschauen. Mir fiel ein Artikel von Pater Lefrank in die Hände, in dem es um den Unterschied von falschem und echtem Leiden ging: „Gesundes Leben heißt entscheiden, heißt Abschied leben und sich in seinen Grenzen verwirklichen.“ Das war der entscheidende Satz, der mir geholfen hat, meine Grenzen zu respektieren und mich darin zu entfalten.

Die hier gestellte Frage, wie man mit unerfüllten Wünschen leben kann, passte genau in meine Situation. Schließlich ist die Kinderlosigkeit ja ein Verzicht, den ich mir nicht ausgesucht habe. Mir wurde bewusst, dass ich ihn bisher nur mit dem Verstand verarbeitet und mir den sehnlichen Wunsch nach einem Kind in der Tiefe gar nicht eingestanden hatte. Dadurch hatte ich den Schmerz und die Enttäuschung umgangen. In dieser Zeit kam ich an den Punkt, an dem ich mir eingestehen konnte, dass ich wirklich zutiefst Mutter werden wollte. Selbst schwanger zu sein, ein Kind zur Welt zu bringen, dieses Kind ins Leben zu begleiten, das würde ich nie erleben. Diesen unerfüllten Wunsch anzuschauen, zu betrauern und mich innerlich von ihm zu verabschieden, war ein schmerzlicher, aber wichtiger Prozess.

Schmerzliche Fragen

In diesem Prozess tauchten auch Anklage, Zorn und Fragen in mir auf: Warum gerade wir? Traut uns Gott keine Kinder zu? Sind wir unfähig, Kinder zu erziehen? Bin ich als Frau überhaupt etwas wert, wenn ich keine Kinder geboren habe?
Dann kam der Vergleich mit anderen: Gibt Gott uns nur das Zweitbeste? Und Neid: Warum dürfen andere Elternschaft erleben und wir nicht? Ich stellte auch meine damalige Aufgabe als Hausmutter in Frage: Werde ich so akzeptiert und kann ich für andere einen mütterlichen Dienst tun, wenn ich gar nie leibliche Mutter war?
Bisher hatte ich solche Fragen nicht wirklich zugelassen. Es war in unserem ausgefüllten Alltag auch kaum Zeit dafür. Ich habe lange einfach „funktioniert“. Von meiner Erziehung her bin ich stark geprägt davon: Auch wenn man einen Schmerz oder eine Enttäuschung erlebt, muss man seine Aufgaben erledigen und funktionieren. Nun war ich in der Sabbatzeit an einen Punkt gekommen, an dem mein Herz tiefer berührt wurde und ich nicht mehr nur mit meiner Vernunft reagieren konnte.

Miteinander gehen, beieinander bleiben

Wir waren als Ehepaar all die Jahre gut miteinander im Gespräch. Uns hat dieser Verzicht einander näher gebracht. Neu war, dass wir uns jetzt auch unseren Schmerz und die Gefühle zeigen konnten. Wir konnten uns eingestehen: „Ja, das tut sehr weh.“ Wir hatten natürlich erwogen, ob wir ein Kind adoptieren oder ein Pflegekind annehmen wollten, stellten aber dann fest: unser Wunsch ist der nach einem eigenen Kind – nicht einfach ein grundsätzlicher Kinderwunsch, dem wir durch Adoption oder Pflegekinder hätten begegnen können. Unser tiefster Wunsch war es, unsere persönliche Liebe in eigenen Kindern sichtbar werden zu lassen. Und der blieb unerfüllt. Vieles konnte in den Jahren heilen und doch ist eine Lücke geblieben. Gemeinsam konnten wir auch sehen, was trotz unerfülltem Kinderwunsch an Positivem gewachsen ist.
Außerdem genießen wir es, manchmal auszuschlafen, unkompliziert verreisen zu können, haben gerne Gäste und sind bereit zu spontanen Unternehmungen. Da gibt es einiges in unserem Leben, das wir mit Kindern so nicht hätten tun können. Es gehört zum Leben dazu, dass sich nicht immer alle Vorstellungen verwirklichen – auch bei denen, die Kinder haben. Es gibt kein Leben ohne unerfüllte Wünsche! Aber es macht Freude zu entdecken, welche Freiheiten, Möglichkeiten und Gaben Gott uns in unserem Lebensstand ohne Kinder gegeben hat, um erfüllt als Ehepaar leben zu können. Unser Leben ist unendlich reich, aber anders als es mit Kindern gewesen wäre.

Und heute?

Eine Seelsorgerin sagte mir auf meine Frage, wie ich Frieden über meinem Schmerz bekommen könnte: „Du musst Gott solange fragen, bis du für dich eine Antwort von ihm hast.“ – „Das kann lange dauern“, dachte ich spontan. Aber ich stellte Gott immer wieder diese Frage und versuchte hinzuhören. Denn mir war klar, dass nur Gott mir den inneren Frieden, den ich suchte und brauchte, schenken konnte. Die Antwort kam dann in einer Situation, in der ich mich gar nicht mit diesem Thema beschäftigt hatte. Und sie kam ganz anders als erwartet. Bei der Betrachtung einer Darstellung des Jesuskindes während eines Gottesdienstes schien mir, dass Gott mein Herz berührte und mich persönlich ansprach: „Auch wenn du kein eigenes Kind hast, nimm doch mich in dein Herz und in dein Leben auf.“ Es war mir deutlich vor Augen, als gäbe sich Jesus selbst als Kind in meine Arme und in mein Herz. Das war mir Gottes Stimme und Antwort. Dadurch konnten meine Fragen zur Ruhe kommen, und ich habe den Frieden gefunden, den ich suchte. Auch heute noch antworten wir auf die Frage nach Kindern: „Doch, eigene Kinder haben uns gefehlt.“ Aber wir haben erlebt, dass wir einen Weg geführt worden sind, der uns erfüllt hat und zum Segen geworden ist.

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